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Ferdinand Sauerbruch

Geboren am 3. Juli 1875 in Wuppertal-Barmen, gestorben am 2. Juli 1951 in Berlin.
Ferdinand Sauerbruch ist der wohl bekannteste und umstrittenste deutsche Arzt des 20. Jahrhunderts. Sauerbruch war der führende deutsche Chirurg seiner Zeit und hat in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts die Chirurgie auf neue Grundlagen gestellt. Er war ein genialer, geschickter und schneller Operateur, ein erfinderischer Pionier und ein Meister der Improvisation. Tausende verdanken seinen zuweilen waghalsigen Operationen ihr Leben. Zu seinen besonderen Leistungen zählen seine Eingriffe in den Brustraum, die durch eine revolutionäre Operationstechnik erstmals möglich waren. In den Jahren des 1. Weltkrieges schuf Sauerbruch mit seinen neuartigen Arm- und Beinprothesen mit willentlich beweglichen Gliedmaßen, der "Sauerbruch-Hand", dem "Sauerbruch-Arm" und dem "Sauerbruch-Bein", erste verwendbare Überlebenshilfen für die vom Krieg zum Krüppel geschossenen Soldaten. Ungezählten Amputierten hat er so die Rückkehr ins Arbeitsleben ermöglicht. Diese Erfindung sicherte ihm eine Popularität, wie sie nur selten ein Arzt gewinnen kann.
Die Stationen seiner beispiellosen Karriere, die im deutschen Kaiserreich begann und ihr Ende im geteilten Berlin der Nachkriegszeit fand, sind vielfältig: es gelang ihm vom Landarzt zum Starchirurgen der weltberühmten Charité in Berlin aufzusteigen. Ferdinand Sauerbruch stammt aus dem Rheinland: am 3. Juli 1875 wurde er in Wuppertal-Barmen geboren. Er studierte dann in Marburg, Jena und Leipzig Medizin, wo er 1902 promovierte und arbeitete anschließend in Kassel, Erfurt und Berlin. 1903 bis 1905 war er in Breslau. Während dieser Assistenzzeit in Breslau wandte er sich unter seinem Lehrer und Förderer Johannes von Mikulicz-Radecki der Brustraumchirurgie zu, wo er Bahnbrechendes leistete. Am 6. April 1904 führte Sauerbruch mit einer von ihm entwickelten Unterdruckkammer eine Operation am offenen Thorax mit Erfolg öffentlich vor. Greifswald, Marburg und Zürich waren seine nächsten Stationen. In Marburg wurde er 1908 Außerordentlicher Professor und in Zürich erhielt er 1911 einen Lehrstuhl für Chirurgie. 1918 erhielt er in München das Ordinariat für Chirurgie. Bis 1927 widmete er sich vor allem der operativen Behandlung der Lungentuberkulose.
Die Krönung seiner Laufbahn erlebte er in den Jahren 1928 bis 1949 als Professor für Chirurgie an der Berliner Universität und Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik an der Berliner Charité. Hier führte er seine komplizierten und riskanten Operationen durch, die ihm im In- und Ausland ein fast legendäres Vertrauen und Bewunderung eintrugen. In der Nachkriegszeit wurde er in Berlin von den Sowjets auch für die Politik herangezogen: zwei Wochen nach der Kapitulation Berlins wurde von den Besatzern ein Magistrat installiert. Ferdinand Sauerbruch war für das Gesundheitswesen zuständig. In dieser Eigenschaft forderte er nach den Massenvergewaltigungen durch russische Soldaten an deutschen Frauen die Zulassung der ethischen Indikation für Abtreibungen. Eine Allianz aus Katholiken und Kommunisten verhinderte dies.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ihm vorgeworfen, dass er dem Ungeist des Nationalsozialismus nicht stärkeren Widerstand entgegengesetzt hatte. Sauerbruchs politische Haltung war gespalten: seine offizielle Aktivitäten stützten das NS-Regime, privat äußerte er Kritik und half Verfolgten. Sauerbruch war sehr eng Max Liebermann (1847-1935) befreundet gewesen, und einer der wenigen Menschen, die dem jüdischen Maler und Graphiker nach seinem Tod am Grab die Letzte Ehre erwiesen. Seine politisch motivierte Zwangseremitierung im Jahr 1949 markiert auch das Ende einer medizinischen Epoche. Nicht mehr geniale Einzelkönner, sondern aufeinander eingespielte Spezialistenteams einer modernen Apparatemedizin waren jetzt in den Operationssälen gefragt.
Ferdinand Sauerbruch hinterließ mehrere Lehrbücher, z.B. "Technik der Thoraxchirurgie", "Die willkürlich bewegbare künstliche Hand", "Die Chirurgie der Brustorgane".

Literatur:
Leo Norpoth: Ferdinand Sauerbruch, in: Rheinische Lebensbilder, Band 1, S. 207-223