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Hofeshaus Lütterkus Heidt

Einmaliges Original aus der Renaissance ist über 400 Jahre alt

(kgc). Aus den weit über 4.000 Baudenkmälern in Wuppertal ragt das Hofeshaus Lütterkus Heidt an der Emilstraße 46 heraus, weil es sich um das älteste Haus Barmens, das letzte noch relativ ursprünglich erhaltene Renaissance-Fachwerkgefüge in Nordrhein-Westfalen, wahrscheinlich aber auch um eines der letzten hundert Renaissance-Fachwerke in Deutschland, handelt. Während im Ruhrgebiet ein vergleichbares Gebäude bis zur Unkenntlichkeit umgebaut worden ist, gelang auf dem Heidt um 1985 eine sorgfältige Sanierung, die das Hofeshaus in ganz neuem Glanze erstrahlen ließ. Es war den Sanierern, der Architektengruppe Morsbach, ein wichtiges Anliegen, zugleich Chance und Verpflichtung, das Haus möglichst in seinen ursprünglichen Zustand mit den typischen Erscheinungsformen zurück zu versetzen.

Die Anfänge
Das Hofeshaus Lütterkus Heidt wurde 1606 oder 1612 (der damalige Stadtkonservator Hans Neveling sprach von 1580; eine gestohlene Schnitzerei bildete die Jahreszahl 1606 ab) im Auftrag des wohlhabenden Handwerksmeisters Peter „Pitter“ Lütterkus (Familienzeichen „PLH“ – Peter Lütterkus-Heidt) errichtet und ist damit das älteste Wohnhaus im Barmer Süden. Für die damalige Zeit war es ein Hochhaus. Wer sich vorstellt, dass die Hänge zur Wupper vor vier Jahrhunderten fast unbebaut waren, kann erkennen, dass es am Nordhang ein vergleichbares Pendent gab und gibt: das Hofeshaus Klingelholl. Der Erbauer muß „ein reicher Knopp“ (Originalton Horst Volmer) gewesen sein, denn wer konnte schon vor dem Dreißigjährigen Krieg ein viergeschossiges Haus mit einer Nutzfläche von mehr als 400 Quadratmetern (später 555 Quadratmeter) finanzieren?

Das Hofeshaus zeigt zwei große historisch bedingte Erweiterungsstufen. Ältester Teil ist die südlich gelegene Haushälfte mit einem großen Kaminraum, den südlich anschließenden Wohn- und Arbeitsräumen, den heute nicht mehr vorhandenen nördlich befindlichen Stallungen, alles überspannt von einem riesigen Sparrendach, in dem Wolle und Heu gelagert wurden. Die Gebäudestruktur wurde vermutlich gegen Mitte des 17. Jahrhunderts geändert, durch einen nördlichen Anbau. Dieser Anbau erhielt eine eigenen Diele, die Stallungen wurden zu Wohn- und Arbeitsräumen umgebaut. Da das Fachwerkgefüge zur damaligen Zeit bereits im Sockelbereich an der Nordseite stark geschädigt gewesen sein muss, wurde das gesamte Erdgeschoss gegen ein anderes Gefüge ausgetauscht. Ein Anbau datiert in das Jahr 1812. In einer letzten Erweiterungsstufe wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein traufseitiger Anbau angebracht, der stilistisch mit der Struktur und Erscheinungsform des großen Fachwerkhauses nichts zu tun hat. Bei der dreijährigen Sanierung Mitte der 1980er Jahren wurde so gearbeitet, dass ein späterer Abriss ohne Schädigung des Haupthauses möglich bleibt, wenn Eigentümer die ursprünglich rechteckige Gebäudeform wieder herstellen wollen.

Die Zeit vor dem Denkmalschutzgesetz
Im Jahr 1971 berichtete die „Neue Rhein/Ruhr-Zeitung“ (NRZ) auf Initiative des Heidter Bezirksvereins erstmals über den langsamen Verfall des historischen Gebäudes, doch das NRW-Denkmalschutzgesetz trat erst 1980 in Kraft. Der letzte Mieter, Herbert Hesse, vor der Sanierung zog nach 40-jähriger Nutzung im Herbst 1977 aus dem unbewohnbar gewordenen Haus (Plumpsklo, Kohleheizung) aus, das anschließend geplündert und wertvoller Gegenstände beraubt wurde: Täfelung mit Schnitzerei der Herrenstube, bergischer Schrank, Eichentüren mit Messing- und Eisenbeschlägen. Eigentümer war bis 1978 die Erbengemeinschaft Wüster (einschließlich Mitbesitzer Herbert Webermeier), ein auf dem Heidt allseits bekannter Name. Für die Rettung des verwahrlosten Gebäudes engagierte sich neben dem Historiker Professor Dr. Klaus Goebel der an der Brahmsstraße wohnende Vorsitzende des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Wuppertal, Dr. Michael Metschies. Die Sanierungskosten wurden damals auf rund 650.000 DM geschätzt. Eine nicht verwirklichte Idee war die Translozierung nach Schloß Lüntenbeck.

Rettung in höchster Not

Die Sanierung des Schandfleckens auf dem Heidt begann zunächst in den Köpfen des Solinger Architektenehepaares Renate und Karl Morsbach, das im Verlaufe der Besuche von Denkmalobjekten in der Emilstraße Station gemacht hatte. Arg herunter gekommen, verkleidet und ablehnend wirkte das Haus auf die Betrachter, die sich dennoch von Horst Volmer einen Sanierungsplan erstellen lassen wollten, um auf Investorensuche gehen zu können. Stadt und Land lockten mit Zuschüssen. Die Chance auf Geldverluste waren groß … Schließlich überwogen die Liebe zur Heimat und das Wohlwollen gegenüber einem historischen Gebäude. Mit seinem Freund Albert Schleberger ergriff Horst Volmer selbst die finanzielle Initiative und ließ seinem Idealismus freien Lauf. Eine Gesellschaft zur Erhaltung denkmalwerter Gebäude und Anlagen übernahm die Realisierung. Im Verlaufe der Bauarbeiten wurden die schlimmsten Befürchtungen noch weit übertroffen. Als die Verkleidung abgenommen worden war, wurde klar: das Renaissance-Haus war im Laufe der Jahrhunderte mit Barock- und Empireelementen bis zur Unkenntlichkeit umgebaut worden und der Denmkmalschutz forderte eine Versetzung in den ursprünglichen Zustand. Ein Hausforscher von der Bergischen Universität untersuchte und vermaß ein halbes Jahr lang alle Flächen, Wände, Ecken und Winkel des Hofeshauses.

Im Zuge der Instandsetzung musste eine umfangreiche Innenabstützung erfolgen und die stark bauchige Fachwerkfassade lotrecht nach innen gezogen werden. Im Interesse der Erhaltung historischer Bausubstanz wurden tragende Teile nicht ausgetauscht, sondern neues Stützwerk denkmalgerecht daneben gesetzt.

Aus der Nerven aufreibenden Sanierungszeit nannte Mitinvestor und Bewohner Horst Volmer einmal folgende Highlights: Es war kein 18 Meter langer Eichenbalken mehr zu beschaffen. Ein Schreiner wollte die rund 300 Fenster, Ladeluken und Transportgalgen nicht bauen, weil kein Fenster wie das andere war, auf die Maße bezogen. Von Rechtwinkeligkeit keine Spur. Keine Chance für Schablonen. Der Schornsteinfegermeister wollte den wunderschönen Renaissancekamin nicht mehr rauchen lassen … Eine alte Herdstelle am Boden der zweigeschossigen, rückseitigen Eingangshalle blieb erhalten. Es handelt sich um die größte noch voll funktionsfähige Renaissanceherdstelle Nordrhein-Westfalens (Alcotello-Pflasterung). Übrigens: im Hause befindet sich eine von der benachbarten Quelle gespeister Brunnen, der auch in Trockenzeiten die Wasserversorgung sichert. Das zweite Richtfest fand im Mai 1985 statt. Die Restaurierung wurde im Oktober 1986 abgeschlossen. Mit einem vom Heidter Bezirksverein ausgerichteten Straßenfest nahm die Bevölkerung die gelungene Sanierung freudig zur Kenntnis.

Bilanz
Nach Fertigstellung konnten fünf Wohneinheiten genutzt werden. Nach allen Mühen und Investitionen (1,2 Millionen Mark, davon trugen Land und Stadt rund 75 Prozent der Kosten) zog Horst Volmer folgende Bilanz: „Das Schöne am Menschen ist, dass er die Schwierigkeiten und Sorgen der Vergangenheit schnell vergisst und sich an der Gegenwart erfreut. Ich glaube, dass sich Eigentümer, Bewohner und spätere Generationen an diesem wertvollen und für den Heidt geschichtsträchtigen Haus erfreuen.“

12.08.2003