Home » Neues aus Wuppertal Barmen » Barmer Bürger schufen sich ihren Park selbst

Barmer Bürger schufen sich ihren Park selbst

Sonderdruck der „Westdeutschen Rundschau“ zum 90-jährigen Bestehen des Barmer Verschönerungsverein im Dezember 1954:
Barmer Bürger schufen sich ihren Park selbst
90 Jahre Verschönerungsverein Barmen / Weitsichtige Planung
Wenn es nicht schon längst ein Gewohnheitsrecht wäre, dass jedermann durch die Park- und Waldanlagen des Verschönerungsvereins Barmen spazieren gehen darf, dann könnte dieser Verein rings um sein stattliches Gelände einen Zaun ziehen und an den verbleibenden Zugängen Kassenhäuschen aufstellen. Entweder müsste man dann seinen Mitgliedsausweis oder aber Eintrittsgeld zücken. Der Zaun wäre mehrere Kilometer lang. Er würde – grob skizziert – an der Ottostraße entlang laufen, die Josef-Haydn-Straße hinauf, dann bis hinab ins Murmelbachtal (am „Bunten Stein“) und jenseits schließlich wieder an der Rudolf-Ziersch-Straße hinab und dann entlang der ganzen Oberen Lichtenplatzer Straße bis zur Bergbahn. Das alles – und auch das Gelände des Barmer Ehrenfriedhofes gehört dazu – ist im Besitz des Barmer Verschönerungsvereins, eines gemeinnützigen Vereins, der in beispielloser Art dieses Riesenareal hegt und pflegt und der gesamten Bürgerschaft zur Erholung und Entspannung zur Verfügung stellt.
Aller Anfang ist schwer
Die Gründer, unter denen man Namen wie Engels, Rübel, von Eynern, Barthels, Blank, Schuchard, Ostermann, Schlieper, Wemhöner und Wolff findet, waren weitsichtige Stadtplaner. Das ist umso bemerkenswerter, als in unserer Stadt zwar vielerlei Weitsicht am Werke war – nimmt man nur die Stadtplanung und den Verkehr aus. Gerade an diesen beiden vernachlässigten Problemen haben wir heute unsere Beißprobe zu bestehen. Und gemeinhin wissen die Wuppertaler nur von der vorausschauenden Idee der von der Heydts zu berichten, die sich um unser Eisenbahnwesen verdient gemacht haben, und von der Weitsichtigkeit unserer Väter und Großväter, die eine Schwebebahn projektierten, als Barmen und Elberfeld noch durch grünes Wiesenland voneinander getrennt waren. Würdig zu diesen zwei Muster-, aber auch Ausnahmebeispielen gesellt sich die Weitsicht der Gründer des Barmer Verschönerungsvereins.
Hofgarten-Direktor hilft
Die Initiatoren des Jahres 1864 hatten mit der Wahl ihres 1. Vorsitzenden Werle´ aber auch einen mehr als guten Griff getan. Im Verein mit dem (automatisch dem Vorstand angehörenden) Barmer Oberbürgermeister Bredt, wurde es gleich von Anfang an festgelegt: man will stadtnahe (!) Erholungsgebiete für die Bevölkerung schaffen.
So kommt denn auch schon 1869 zu der „Keimzelle“ des Vereinsgeländes – das soeben vorbildlich wiederhergestellte Gelände zwischen der „Forsthausbahn“ und der heutigen Lönsstraße – das Gebiet der so genannten Unteren Anlagen hinzu. Dieses Gelände wurde von dem Düsseldorfer Hofgarten-Direktor Joseph Clemens Weyhe zu einem unübertrefflich schönen Park gestaltet, dessen Schwanenteiche seit Jahrzehnten täglich Hunderte und Tausende von Bürgern anziehen.
Die grüne Zunge
Wie eine grüne Zunge schieben sich die Anlagen hinunter zur Talsohle. Vom Alten Markt aus sind sie in wenigen Minuten erreicht. Und von diesen Unteren Anlagen aus gelangt man direkt in das prächtige Waldgelände, das sich hinauf zieht bis ins Murmelbachtal. Von dort aus kann man weiter über Wiesen und durch Wälder ins Schmalenhofer Bachtal und ins Blombacher Tal wandern und weiter ins Bergische und Oberbergische Land. Und nur die Silhouetten vom Lichtenplatz oder von Remscheid und Solingen, und ab und an ein einzelner Fabrikschornstein, der aus dem Tal ragt, erinnern daran, dass Natur und Gewerbefleiß in diesem Land so eng miteinander verflochten sind.
Die stete Entwicklung des gemeinnützigen Verschönerungsvereins zeigt sich schon daran, dass sein 1. Vorsitzender, der Präsident der Wuppertaler Industrie- und Handelskammer, Wilhelm Vorwerk, nur fünf Vorgänger gehabt hat: Wilhelm Werle´, Otto Schüller, Robert Barthels, Otto Budde, Paul Neumann (oft und später ganz von Rudolf Lundt vertreten). Soeben erst fand ein wichtiger Punkt in der Grünflächenpolitik des Vereins seinen Abschluss, in dem städtische Enklaven innerhalb des Vereinsgebietes gegen Enklaven des Vereins in städtischen Gebieten ausgetauscht wurden. Diese Bereinigung ermöglicht es, ein weit gestecktes Ziel des Vereins zu realisieren: die horizontale Wegeverbindung von der Bergbahnhaltestelle „Talblick“ hinüber zur Einmündung der Rudolf-Ziersch-Straße in die Obere Lichtenplatzer Straße.
Zwischen gestern und morgen
Damit ist der Anschluss an die Kothener Waldungen hergestellt, von denen man dann – am Hang entlang wandernd – über die Böhle bis hin zur Elberfelder Friedenshöhe gelangen kann, ohne nennenswerte Höhenunterschiede überwinden und Wald und Flur verlassen zu müssen.
Daneben soll die parallel zur Lichtenplatzer Straße verlaufende Promenade über die Meierei Fischertal hinaus bis zur Rudolf-Ziersch-Straße verlängert werden. Und schließlich verspricht sich der Verein einen besonderen Anziehungspunkt von einem Aussichtsplateau (später Panoramaplatz und Plutte-Platz genannt), das er in Höhe des einstigen Augusta-Viktoria-Heims anschütten möchte, um dem Besucher ein Panorama bieten zu können, das von Vohwinkel bis weit nach Schwelm reicht.
Dieses Plateau denkt sich der Verein als Ersatz für das einstige Stadthallenplateau, auf dem nunmehr die Hauptverwaltung der Barmer Ersatzkasse ihren Verwaltungsbau errichten wird. Dieses einstige Stadthallenplateau war früher der Ort, wo die Bürgerschaft glanzvolle Feste feierte. Die „Stadthalle“ selbst hätte richtiger „Bürgerhalle“ heißen sollen, denn ihre Bauherrin war nicht die Stadt Barmen, sondern der Verschönerungsverein. 600.000 Goldmark kostete sie und war 1897 – Stolz der Barmer! – drei Jahre vor der städtisch erbauten Elberfelder Stadthalle fertig.
Was sind in der Stadthalle und auf ihrem Plateau einst für tolle Feste gefeiert worden! Vor wie nach ihrer Erbauung! 1872 brachte eine einzige Tombola 54.000 Goldmark in die Vereinskasse. Drei Jahre zuvor waren es gar 66.000 Goldmark! Es gehörte damals einfach zum so genannten guten Ton, Mitglied des Vereins zu sein. Jeder halbwegs wohlhabende Bürger vermachte ihm testamentarisch ein stattliches Sümmchen, wobei Ludwig Ringel, der unter anderem auch die Christuskirche in Unterbarmen und den Kindergarten in der Gronaustraße stiftete, mit einem Betrag von 100.000 Mark den Vogel abschoss. Ihm zu Dank und Ehren wurde das Formetal in Ringeltal umbenannt und dort ein stattliches Denkmal errichtet.
Das war immer eine Herzenssache
Man sieht: die Vereinskasse war gut gefüllt. Und da das laufend anwachsende Kapital jeweils zur Hälfte in Grund und Boden angelegt wurde, kam im Laufe verhältnismäßig weniger Jahre ein stattliches Areal zusammen.
Der Zweite Weltkrieg fügte dem Vereinsbesitz schwere Einbußen zu. Es ist eine imponierende Sache, wie trotzdem im Lauf der Jahre alles wieder in Schuss kommt. Als es gilt, den Toelleturm wieder so herzurichten, dass ihn die Baupolizei zum Besteigen freigeben kann, stiftet ein Handwerker die Tür, ein anderer das Treppengeländer, ein dritter das Zinkblech für den Ausstieg hoch oben, ein vierter das Glas für die Fenster, und die Werbegemeinschaft Wuppertal spendet noch einen Geldbetrag hinzu.
Eine steht fest: wenn es in unserer Stadt einen Bürgerverein gibt, dessen Wirken arm und reich, jung und alt, Gesunden und Kränklichen nützt, dann ist es der Barmer Verschönerungsverein. Zu welcher Tageszeit man auch durch die Anlagen geht, ob im Frühjahr, wenn das erste Grün sprießt, im Sommer, wenn Blumen, Sträucher und Bäume in voller Pracht stehen, oder jetzt, in dieser (Dezember 1954) Jahreszeit, wenn die bizarren Silhouetten der Äste gegen den Himmel stehen und am Abend das Gefunkel und Geflimmer der „Licht- und Märchenstadt“ das Tal in eine Kette aus Flitter verwandelt – immer ist es schön und erholsam, still und gut in den Barmer Anlagen. Und selbst an Sonntagen, wo die Städter zu vielen Hunderten hinaus pilgern, liegen die abseitigeren Waldwege einsam da. Und das alles hat ein Teil der Bürgerschaft für die ganze Bürgerschaft gemacht und pflegt es tagaus, tagein.
Am Ringeldenkmal sind ganz neue Wegeverhältnisse geschaffen worden. Auch eine neue Schutzhütte steht dort. Der Weiher im Ringeltal ist entschlammt. Längs des Durchstichs der Straßenbahn durch den Wald, zwischen Forsthaus und Ehrenfriedhof, hat der Verein die vorbildliche Promenade, den Schwarzschildweg angelegt. Gleich darunter ist noch eine schmale lange Senke im Waldboden: die alte Kohlenstraße. Kein Stück aus der Römerzeit, aber eben doch ein Stück Historie. Und das lässt man ebenso. Denn, wenn auch Barmens Geschichte nicht gar so alt ist – man hält auf sie und die Vergangenheit ebenso wie auf sich.
Es gab einmal eine Zeit, da waren auch die wenigen grünen Flecken in der Barmer Innenstadt dem Verein in Obhut gegeben: der Platz an der Ruhmeshalle (heute: Haus der Jugend), der kleine Garten vor der Badeanstalt (heute. Brauhaus) in der Kleinen Flurstraße, die paar Bäume, die damals am Wupperfelder Markt standen. Und so ist in dieser Stadt, die in wenigen Jahren so über alle Maßen gewachsen ist, oft ohne jede Überlegung und Planung, die aktive Liebe zur Natur immer eine Herzenssache der Bürgerschaft gewesen.