Home » Barmer Köpfe » Ernst Vesper

Ernst Vesper

(kgc). Es gibt (einst und/oder heute) erfolgreiche Wuppertaler Unternehmen, deren Namen einen direkten Schluß auf ihren Gründer zulassen: Friedrich Bayer, Franz Wicküler, Carl Reinshagen (Dephi-Draka), Otto Louis, Walter und Prof. Dr. Kurt Herberts, Carl, August und Wilhelm Vorwerk (V. & Sohn), Wilhelm Jackstädt, Wilhelm Quante, Ludwig und Otto Happich, Reinhart Schmidt, Julius und August Erbslöh. Andere Unternehmensführer haben zwar auch wichtige stadtgeschichtliche Spuren hinterlassen, ohne dass ihr Betrieb dies im Namen dokumentiert: Carl Duisberg, Friedrich Weskott (beide Bayer), August und Jörg Mittelsten Scheid (Vorwerk & Co.), Ernst Hellmuth Vits, Dr. Ludwig Vaubel (Enka Glanzstoff) und Günther Knorr (Stadtsparkasse), um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Ein weiterer, weitgehend unbekannter Name ist der vor 50 Jahren gestorbene Ernst Vesper, der in Barmen 1904 eine „Krankenkasse für Angestellte“ gegründet hat, aus der sich in 95 Jahren die mit über neun Millionen Mitgliedern und rund 20.000 Mitarbeitern größte gesetzliche Krankenkasse entwickelt hat. Auch am Ort ihrer Hauptverwaltung zählt die BEK zu den größten Arbeitgebern.

Ernst Vesper wurde am 15. Januar 1879 in Barmen geboren. Vater Carl Vesper junior zeigte am 17. Januar beim Standesamt Barmen die Geburt von Sohn Ernst im Arbeiterhaushalt an der Gasstraße, die seit 1935 Wartburgstraße heißt, an. Damals ahnte niemand, daß einmal zahlreiche Papiere und Dokumente seinen Namen tragen sollten oder durch ihn sein Gepräge erhalten würden. Die wirtschaftliche Lage der arbeitenden Bevölkerung in der permanent wachsenden und enger werdenden Industriestadt war seinerzeit alles andere als rosig. Vielleicht die richtige Basis für eine Entwicklung zum Pionier der sozialen Sicherheit. Am Anfang stand eine kaufmännische Ausbildung, nach der er schon mit 24 Jahren eine wichtige Rolle im Verein und kommenden Unternehmen übernahm, dem er zuletzt als Ehrenmitglied angehörte. Gestorben ist Ernst Vesper übrigens 70jährig am 24. März 1949 in Elberfeld.
Die Wuppertaler Wurzeln der Barmer Ersatzkasse sind im „Kaufmännischen Verein von 1867“ zu finden, aus dem am 1. Januar 1904 die „Krankenkasse für Handelsangestellte in Barmen“ gegründet wurde. Als „Tatort“ ist das Hotel Schützenhaus am Alten Markt dokumentiert. Initiator (gemeinsam mit Rudolf Küpper, den er schon während der Lehre kennengelernt hatte) und erster Vorsitzender war Ernst Vesper, der mit einem bestimmten Personenkreis, Angestellte, vorerst räumlich auf Barmen und das Amt Langerfeld beschränkt, und 1.660 Mitgliedern startete. Erstes Domizil war ein Gebäude in der Lindenstraße 6. Hintergründe waren soziale Sicherung, Ablehnung staatlichen Zwangs, Befreiung von der gesetzlichen AOK-Pflichtmitgliedschaft und eigenverantwortliches Gestalten des eigenen Schicksals. „Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Selbstverwaltung“, so formulierte Vesper seine Devise. Er ist als markante Persönlichkeit mit den Talenten Arbeitseifer, Optimismus, Ausdauer, Sparsamkeit, Organisationsgeschick und Weisungsfähigkeit in die Geschichte eingegangen. Umsichtig leitete er die Kasse bis 1925 (Zwischenstand: 286.441 Mitglieder) und auch die privaten „Barmenia“ Versicherungen entsprangen seiner Idee. Mit der frühzeitig begonnen Verbandsarbeit sorgte der Unterbarmer und Barmer Stadtverordnete Ernst Vesper, für eine weitere Absicherung der berufsständischen sozialen Krankenversicherung.
Vereine und Hilfskassen sind im 19. Jahrhundert im gewerbereichen Tal gegründet worden, um in Not geratenen Menschen zu helfen. Ohne Unterstützungseinrichtungen bedrohten Arbeitslosigkeit, Krankheit und Tod die ganze Familie. Deshalb wurde der „Unterstützungsverein der Handlungsgehülfen in Barmen“ ins Leben gerufen. Einem Reichsgesetz aus 1904 folgend entwickelte sich daraus die BEK, wie die Kasse kurz und bündig genannt wird. Dem Zusammenschluß mit vielen kleinen Kassen und der 1884 gegründeten Görlitzer Kasse („Mutterkasse“, Basis für Jubiläumsdaten) folgte 1914 die amtliche Zulassung als „Ersatzkasse“. Der Erste Weltkrieg ließ die Mitgliederzahl von 20.000 (1914) auf 8.900 (1918) sinken. Die Entwicklung wurde stets von einem Kampf um den Bestand begleitet, weil Berufskassen den Ortskrankenkassen immer ein Dorn im Auge waren. Beim ständigen Wettstreit übernahm die BEK 1931 den Titel der größten deutschen Krankenkasse. Ihre Hauptverwaltung hatte sie seit den zwanziger Jahren in der Carnaper Straße. Auf „Druck der Notwendigkeiten“ wurde 1932 die Umsiedlung nach Berlin notwendig. Als mutige Entscheidung galt der Bau einer eigenen Kureinrichtung in Bad Hermannsborn bei Bad Driburg. 1940 gehörten im Reich eine Million Menschen zur Barmer, die während der NS-Zeit zur Körperschaft des öffentlichen Rechts geworden war. Ausgegrenzte Mitglieder wurden im privaten Barmer/Berliner Verein aufgenommen. Die Neuzeit nach dem Zweiten Weltkrieg, mit Verlust der Ostgebiete und Sitz in Berlin, begann für die Selbstverwaltung 1953. Aus den ersten Sozialwahlen ging die Vertreterversammlung hervor, die, stets durch Wahlen geprüft, die Geschicke der Barmer bis heute bestimmt. Wurden 1950 knapp 900.000 Mitglieder betreut, konnte 1970 die 3-Millionen-Grenze überschritten werden. Nach der Wiedervereinigung betreuten 1994 rund 20.000 Mitarbeiter(innen) in etwa 1.500 Geschäftsstellen über neun Millionen Versicherte. Der von Ernst Vesper beschworene BEK-Geist („Angestellte für Angestellte“, „Betreuen, nicht verwalten“) und die Erhaltung der Maxime „dem Mitglied nahe sein“, ist bis in die heutige Zeit aktuell und Arbeitsgrundlage geblieben. Ernst Vespers Ideen leben über seinen Tod hinaus weiter. In seine Fußstapfen ist auch Sohn Ernst-Albert getreten, der nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Barmer Ersatzkasse und beim Verband der Angestellten-Krankenkassen eine nicht alltägliche Karriere machte.
Porträtiert, und als Self-made-man mit ganz typischen bergischen Akzenten beschrieben, wird Ernst Vesper in der 16. Folge der „Wuppertaler Biographien“ von Klaus H. Richter, die vom Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal, herausgegeben werden und im Born-Verlag erscheinen.

30.04.1999