Home » Barmer Köpfe » Husch-Husch

Husch-Husch

„Husch-Husch“ – ein Leben auf der Straße
Als Wuppertaler Original erinnert man sich heute gerne an ihn. Dabei war das Leben des Peter Held alles andere als romantisch oder komisch.

Wuppertal. Es muss viel Betrieb gewesen sein an der Pforte und am Fernsprecher des Barmer Krankenhauses. So viel, dass sich die Klinik genötigt sah, die örtliche Presse um Hilfe zu bitten, um nicht immer wieder die gleichen Auskünfte an besorgte Wuppertaler geben zu müssen.

Und so war in der Bergisch-Märkischen Zeitung vom 10. März 1936 zu lesen, dass der „Vagabundus Husch-Husch“ zwar in ärztlicher Behandlung, jedoch nicht gestorben sei und in Kürze auch wieder zu „seinem Geschäft und seinen Geschäftsfreunden“ zurückkehren werde.

Dass er dereinst eine Berühmtheit im Tal werden würde, hatte sicher niemand geahnt, als Peter Held am 2. August 1886 als Sohn eines Tagelöhners an der Heckinghauser Werlestraße 26 geboren wurde. Als der Vater 1920 starb, zog Held von zu Hause das lag inzwischen an der Plateniusstraße 30a in Elberfeld aus, und ging als Hausierer „auf die Walze“, erinnerte sich 1978 seine jüngste Schwester Maria Röhrken im Gespräch mit der WZ.

Immer dabei: der Margarinekarton, in dem Held seine Waren Knöpfe, Schnürsenkel, Sicherheitsnadeln und Bleistiftstummel aufbewahrte. Besonders beliebt war er nicht bei seinen Kunden, die er, laut Zeitgenossen, übel beschimpfte, wollten sie ihm nichts abkaufen. Sein als ungepflegt beschriebenes Äußeres trug wohl ein übriges dazu bei, dass die Wuppertaler lieber einen Bogen um den Tippelbruder machten.

Im Gegensatz zu den Kindern. Die hatten ihren Spaß daran, in Scharen hinter ihm herzulaufen und ihn mit „Husch-Husch“-Rufen in Rage zu bringen. Den Spitznamen, unter dem sich auch mehr als 50 Jahre nach seinem Tod noch alle seiner erinnern, hat Peter Held selber gehasst wie die Pest. Geschichten, in denen er versuchte, mit seinem Stock die Plagegeister zur Ruhe zu bringen, sind am häufigsten von ihm überliefert.

Daran kann sich auch Wolfgang Meyer erinnern. Als Zehnjähriger rannte der Heckinghauser mit den Nachbarskindern auf der Bockmühle hinter dem Stadtstreicher her. „Bis meine Eltern es mir verboten“, erzählt er.

„Ich sollte den armen Mann nicht noch mehr ärgern“, sagt Meyer und erinnert sich, dass Held damals jeden Freitag in der Gaststätte Kuhrenbach, dem heutigen Bockmühleck, beim „Lohntütenball“ der Straßenbahnschaffner darauf hoffte, ein Schnäpschen abzubekommen.

Das war 1941. Peter Held galt zu dieser Zeit in Wuppertal bereits als lebendes Original. Nicht nur seine Schimpfkanonaden, sondern auch seine Schlagfertigkeit, vor allem gegenüber der Polizei und den nationalsozialistischen Ordnungshütern, die als Anekdoten bis heute kursieren, hatten ihn bekannt und (irgendwie) auch beliebt gemacht. Geholfen hat ihm das wenig.

1937 machte ihm der Staat des Dritten Reiches wegen Umhertreibens und Bettelns den Prozess. Obwohl er beteuerte, mittlerweile mehr Milch als Alkohol zu trinken, Wert auf Sauberkeit zu legen, sesshaft werden und eine richtige Arbeit annehmen zu wollen, verurteilte ihn der Richter zu sechs Wochen Haft in Bendahl und anschließend zu zwei Jahren so genannter Nachhaft im Gestapo-Gefängnis Brauweiler.

Dort wurde er 1939 entlassen, wohnte zunächst bei seiner Schwester Maria in Elberfeld, danach in verschiedenen Wohnheimen der Heilsarmee und im Armenhaus. Aus der Elberfelder Bombennacht von 1943 stammen die letzten Augenzeugenberichte über Held.

Die einen sagten, er sei bei dem Angriff ums Leben gekommen, andere berichteten, er sei schwer verletzt aus einem verbrannten Haus gerettet worden. Seine Schwester Maria, so erzählte sie der WZ 1978, hörte nie wieder etwas von ihm.

Im Stadtarchiv gibt es nach dieser Zeit nur noch einen Eintrag zu Peter Held. Zehn Jahre später, am 28. November 1953, ist er demnach in der psychiatrischen Landesheilanstalt Galkhausen gestorben. Damit verliert sich in den heutigen Rheinischen Kliniken Langenfeld seine Spur.

Denn auf WZ-Anfrage suchte man, 53 Jahre nach seinem Tod, in den Klinikarchiven nach Unterlagen über den Patienten Peter Held, konnte aber nichts finden. Er sei dort nicht bekannt, hieß es.

02.08.06
Von Silke Derkum