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Karl H. W. Tacke

Karl Heinrich Werner Tacke kam am 22. September 1910 als erster Sohn von Karl Eduard Tacke und seiner Ehefrau Elise, geborene Geil, in Barmen zur Welt. Er wurde im „Hungerjahr“ 1916, während des Ersten Weltkrieges, eingeschult und erlebte die Umbruchzeit des Kriegsendes und der revolutionären Unruhen als Volksschüler.
1921 trat Karl Tacke als Sextaner in das Realgymnasium Barmen in der Sedanstraße ein und besuchte diese Schule über die Mittlere Reife hinaus bis zur Unterprima. Es war die Zeit der politischen Neuorientierung nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches, der Kämpfe politischer Gruppierungen und der wirtschaftlichen Krisen (Inflation 1923), bis hin zur langsamen Erholung. Politische und ökonomische Erschütterungen haben Karl Tacke als Gymnasiasten beeinflusst und sein Denken geprägt.
1928 beendete Tacke seine Oberstufenzeit, trat in dem Barmer Exportunternehmen Kirchner & Co. eine kaufmännische Lehre an und schloß diese 1931 ab. Er wechselte in das Wuppertaler Industrieunternehmen Clemens Sterthues, wurde zum Exportabteilungsleiter befördert und hatte diese Position vier Jahre inne. Schon 1933 gründete er sein eigenes textiles Handelsunternehmen und 1935 die Trikotagenfabrik in der Leimbacher Straße.

Familie
1936 heiratete der Jungunternehmer Elisabeth Meuer, die ihm 1938 den ersten Sohn Jochen schenkte. 1939 wurde Sohn Klaus und 1943 Sohn Volker geboren. 1948 wurde der zehnjährige Jochen beim Spielen durch eine explodierende Granate tödlich verletzt. Dieses erschütternde Ereignis führte dazu, daß der im evangelischen Glauben erzogene Karl Tacke konvertierte. 1986 feierten Lisa und Karl Tacke ihre Goldene Hochzeit. Bald darauf wurde seine Frau bettlägerig. Bis sie 92-jährig starb, wurde sie über Jahre in rührender Weise von ihrem Mann Karl gepflegt und versorgt.

Krieg und Wiederaufbau
Im zweiten Jahr des Zweiten Weltkrieges, 1940, begann für Karl Tacke der fünfjährige Kriegsdienst. Drei Jahre verbrachte er in Russland, die letzten beiden Jahre als Offizier bei der Panzertruppe. Ohne in Kriegsgefangenschaft geraten zu sein, kehrte Tacke im Sommer 1945 heim. Er nahm alte Geschäftsbeziehungen wieder auf, brachte das Unternehmen in der Leimbacher Straße wieder in Gang und produzierte weiter Damen-Unterwäsche – frei nach dem Motto "Unterwäsche wird immer gebraucht!"

Im Betrieb waren mehr als 90 Prozent der Beschäftigten Frauen. Das Ehepaar Tacke sorgte sich um die Belange der Belegschaft: für die „Werksfamilie“ wurden günstig Kohlen und Kartoffeln beschafft; die Frauen bekamen pro Monat einen bezahlten "Waschtag"; es gab eine Werksküche und einen Werkskindergarten – lange bevor solche Einrichtungen selbstverständlich wurden. Alle diese Leistungen wirkten sich später, in Zeiten der Vollbeschäftigung, in Form von Betriebstreue positiv aus.

Zug um Zug verwirklichte Karl Tacke in den fünfziger Jahren seine Vorstellung, dass sich alle Produktionsstufen – von der Baumwollflocke bis zur fertigen Konfektionsware – in einer Hand befinden sollten. Spinnerei, Strickerei bzw. Wirkerei und Färberei waren Vorstufen für die Konfektion von "Tacke-Artikeln" – von Unterwäsche bis Damen- Oberbekleidung.
In den sechziger Jahren zählte das Unternehmen rund 500 Beschäftigte. Die internationalen Kontakte des Familienunternehmens wurden systematisch ausgebaut.

1970 übergab Karl Tacke die Unternehmensführung an seine Söhne Klaus und Volker, um mehr Zeit für seine Studien und seine Ehrenämter zu haben. Die Nachfolger gerieten durch die Ölkrise von 1973 in eine ökonomisch schwierige Situation: explodierende Preise für Rohstoffe und Energie, enorme Lohnerhöhungen und rasch wachsende Textilimporte setzten das Unternehmen, wie viele mittelständische Unternehmen in Deutschland, stark unter Druck.
1977 wurde die mehrstufige Textilproduktion in der Leimbacher Straße stillgelegt. Ende der 90-er Jahre kam es dann zur endgültigen Einstellung des textilen Geschäftsbetriebes.

Engagement für junge Menschen aus aller Welt

1954 war Karl Tacke als Ehrenmitglied in die Katholische Deutsche Studentenverbindung Falkenstein (CV) in Freiburg aufgenommen worden. Auf sein Betreiben wurde das Freiburger Verbindungshaus „Auf der Zinnen“ realisiert und das Berghaus der Verbindung in Altglashütten seiner ursprünglichen Verwendung wieder zugeführt.
In dieser Zeit wurde auch die Idee geboren, jungen Menschen aus asiatischen Ländern, die zur Ausbildung in Deutschland weilten, in einer christlichen Familie Heimat zu bieten. Um diese Idee auf eine breite rechtliche und organisatorische Grundlage zu stellen, gründete Tacke 1956 die „Gesellschaft zur Förderung und Betreuung asiatischer Studenten“, deren Vorsitzender er Jahrzehnte lang blieb und die in wenigen Jahren deutschlandweit über 500 Mitglieder zählte.
Durch seine Vermittlung kamen Studenten und Akademiker aus Japan und Korea zum Studium an deutsche Universitäten.
Auf Grund seiner außerordentlichen Leistungen für die Wissenschaft, seiner verdienstvollen Wirksamkeit für den Wiederaufbau seines Vaterlandes und darüber hinaus für den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Japan, somit für die Förderung der internationalen Kulturgemeinschaft überhaupt, verlieh die Nanzan Universität in Nagoya/Japan bereits 1962 Karl Tacke den akademischen Grad eines Ehrendoktors der Philosophie.

Neben dem akademischen Nachwuchs war ihm die Ausbildung von Fachkräften ein Anliegen. So kamen 1959 die ersten 12 koreanischen Schulabsolventinnen ins Tal, um sich im Petrus-Krankenhaus ausbilden und für den pflegenden Einsatz in ihrer Heimat vorbereiten zu lassen.
Ein Lob für diese Arbeit formulierte Bernd Fischer 1979 in seinem DuMont-Kunstreiseführer „Das Bergische Land“ im Kapitel „Zwei Millionen Dickköppe“: „Vor rund zwanzig Jahren, als die staatlich geförderte Entwicklungshilfe noch in den Kinderschuhen steckte, war es ein Barmer Textilfabrikant, Karl H.W. Tacke, der als erster koreanische Schwesternschülerinnen in deutsche Krankenhäuser holte und jungen Koreanern in der Bundesrepublik Deutschland eine Ausbildung zu Textilingenieuren ermöglichte."

In dieser Zeit richtete Karl Tacke seinen Blick auch auf Togo, ehemals deutsche Kolonie im Westen Afrikas. 1965 beteiligte er sich dort am Aufbau einer Textilproduktion mit Spinnerei, Weberei und Stoffdruckerei für etwa 700 Beschäftigte. Gleichzeitig organisierte er eine effiziente Ausbildung junger Togolesen im Barmer Betrieb.

Das nach seiner Frau benannte "Haus Elisabeth" wurde – wie das Ehepaar Tacke es sich vorgenommen hatte – vielen jungen Menschen zur Heimstatt. Die „Weltkinder“ kamen aus Japan, Südkorea, China, Hongkong, Indien, Pakistan, Argentinien, Nigeria, Ägypten, Island und Deutschland. Es war ein ständiges Kommen und Gehen und der Abschied fiel oft schwer…
Als sichtbares Zeichen der Erinnerung haben zum 90. Geburtstag von Karl Tacke seine Pflegekinder Selina und Abbas Vagh in Mysore/Indien eine Stiftung ins Leben gerufen, die den Namen „Professor Dr. Karl Tacke Educational Endowment" trägt.

Zweiter Bildungsweg zum Sozialphilosophen
Getreu dem Motto, dass ein Mensch lebenslang lernt, setzte Karl Tacke seine 1928 abgebrochene Ausbildung 1968 fort, erlangte die Hochschulreife und somit die Berechtigung zum Studium an allen deutschen Hochschulen. Er studierte in Freiburg, Köln, Bochum und Wien. Er beschäftigte sich bis zum Lebensende mit den Kulturen der Welt, Ökonomie, Philosophie und Religion. Sein persönlicher Schatz waren Erfahrungen und Überzeugungskraft. So beschäftigte er sich in einer Seminararbeit 1971 mit den „Aufgaben und Problemen in der Entwicklungshilfe aus der Sicht des Unternehmers“.
1975 promovierte Karl Tacke an der Universität Wien über das Thema „Untersuchungen zur Entwicklung des Menschenbildes in integral-geschichtlicher Perspektive“. In dieser Zeit begann auch seine Lehrtätigkeit als Professor in Südkorea auf dem Lehrstuhl „Industrial management and social sciences“ an der Dong-A-Universität in Pusan.Bis ins hohe Alter behielt er seine Vorliebe für die Literatur fremder Kulturen.

Gesellschaftliches Engagement
Karl Tacke wurde in verschiedenste Ehrenämter berufen: Beirat der Barmenia-Versicherungen, Hauptausschüsse von Fachverbänden, Arbeitgeberverband, Mitglied in der Carl-Duisberg-Gesellschaft und der Entwicklungshilfegesellschaft.
Seine Heimatpfarrei St. Antonius berief ihn in den Kirchenvorstand von St. Antonius, in dem er sich für den Wiederaufbau der Kirche und die Anschaffung einer Orgel einsetzte. Über lange Jahre war er Kuratoriumsmitglied des Barmer Petrus-Krankenhauses (heute: Kliniken St. Antonius gGmbH). Für sein kirchliches Engagement wurde er mit dem Komturkreuz des St. Gregorius-Ordens ausgezeichnet.

1961 wurde Karl Tacke in den Rotary-Club Wuppertal aufgenommen. Es lag so etwas wie Sachlogik in dieser Zugehörigkeit, weil die Ideale dieser Vereinigung – Wahrheitsliebe, Aufrichtigkeit, Individualität, Freundschaft, Toleranz, Fairness und Sorge um das Gemeinwohl seinem Denken entsprachen. 1964 wurde er Sekretär des Clubs und übernahm 1966 für fünf Jahre den Vorsitz des Gemeindienstausschusses. Von 1974-75 war Tacke Präsident seines Clubs. 1991 feierte er seine 30-jährige Mitgliedschaft und erhielt 1994 die Goldene Ehrennadel mit Brillant. Für seinen Club erstellte er 1996 die komplette Vereinsgeschichte (1934 – 1994) mit Biografien aller verstorbenen rotarischen Freunde. In der Broschüre "Rotary-live" sagte Karl Tacke 2004: „Gerade in der heutigen Zeit braucht man einen Kreis von Menschen, in dem man feststellen kann, ob die eigene Uhr noch richtig geht, oder ob man sie korrigieren muss.“

1966 wurde Karl Tacke in Augsburg in den Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem aufgenommen. Dieser Orden, der im Mittelalter das Heilige Grab und seine Pilger schützte, unterstützt heute die Christen im Heiligen Land. Bereits 1967 wurde Karl Tacke hier aktiv: nach dem Nahost-Krieg organisierte er Hilfsflüge mit lebenswichtigen Gütern vor allem für Kinder. Er sorgte für wärmende Kleidung, Babynahrung, Decken, Zelte und Medikamente. Auf seine Anregung entstand die Heilig-Land-Kommission in der deutschen Statthalterei des Ritterordens, deren Vorsitz er 17 Jahre inne hatte.
Während seiner Amtszeit wurden in Palästina mehr als 40 Schulen und Kindergärten renoviert oder neu gebaut. „Confrater“ Tackes unermüdlicher Einsatz für den Nahen Osten und Projekte in Jordanien (beispielsweise das 120-Betten-Hospital der Rosenkranz-Schwestern in Irbit, die Schule in Beit Hanina, die Handwerkerschule in Zerka-Nord und vor allem die Gründung der Universität in Bethlehem) führte zur Berufung in die Vereinigung der Hilfswerke für die orientalischen Kirchen in Rom. Zahlreiche Reisen führten ihn immer wieder ins Heilige Land. Auf Grund seines unermüdlichen Einsatzes empfing Papst Paul VI. ihn und seine Familie in einer Privataudienz. Der Orden ernannte ihn zum Großkreuzritter und Berater des Großmeisteramtes in Rom.

1979 wurde Karl Tacke im Zuge der Gründung der Bergischen Universität einer der Gründungsphilister der Katholischen Deutschen Studentenverbindung „Bergisch-Thuringia“ (CV) zu Wuppertal, an deren Entwicklung er bis ins hohe Alter regen Anteil nahm.

Lebenskreis geschlossen

Am 3. Mai 2008 starb Karl H.W. Tacke im Kreise seiner Familie und wurde unter großer Anteilnahme auf dem Familiengrab Friedhof Hugostraße beigesetzt. Es bleibt die Erinnerung an einen außergewöhnlichen Menschen, der einmal sagte:
„So, wie wir sind, ist die Zeit“.