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Alexander Dahl

(kgc). Hin und wieder taucht auch am Wuppertaler Horizont oder über dem Tal ein Ballon auf und einen Massenstart hat es vor Jahren von der Hardt gegeben. Ballonfahren ist die stilvollste und exklusivste Form des Reisens, man steht in einem Weidenkorb, der an einer 20 Meter hohen knallbunten heißluftgefüllten Textilhülle hängt. Es fällt nicht schwer, sich dabei ein Glas Sekt in der rechten Hand und links das Fernglas vorzustellen. Möglichkeiten zu solchen Ausflügen gibt es heute vielfach. Vor sechs Jahrzehnten war dieses Vergnügen nur wenigen vorbehalten, erfreute aber doch die elitäre westdeutsche Schicht. Aus Wuppertaler Sicht ist ein Rückblick angebracht und dem Bergischen Geschichtsverein ist ebenso zu danken, wie dem Niederrheinischen Verein für Luftschiffahrt, daß Erinnerung sehr wohl hilfreich ist, frühere Höchstleistungen mit dem gegenwärtigen technischen Leistungsstand aufzuwiegen.
Ein Barmer Junge war es nämlich, der in einem Trio am 31.August 1933 mit 11.300 Meter einen Höhenweltrekord im Freiballon aufstellte. Leider blieben Ehre und Belohnung dafür ebenso aus, wie für andere Bestleistungen. Im Gegenteil …
Der spätere Lederfabrikant Alexander Dahl wurde am 29.11.1892 im Höfen, Barmen, geboren und wohnte später in der Schubert Strasse, dann in der Unteren Lichtenplatzer Straße, wo er auch starb. Bei der Wehrmacht diente er als Leutnant, Hauptmann und Major d.R. Während des Ersten Weltkrieges war Dahl als Fesselballon-Beobachter aktiv und fuhr 300mal über der Front hinweg Zweimal konnte er sich mit dem Fallschirm aus seinem brennenden Ballon, getroffen von englischem Feuer, retten. Seine vielfältigen Kenntnisse befähigten ihn, 1943 als erster die Fernsteuerung von britischen Bombern bei ihren Angriffen auf Wuppertal und das Ruhrgebiet zu enttarnen. Er selbst hat eine Reihe von Ortungs- und Navigationsgeräten erfunden.
Dahls Leben wird als abenteuerlich beschrieben und doch galt er nicht als Draufgänger, sondern als hochintelligenter Mensch, der jedes Risiko kühl kalkulierte.
Die Lederfabrik schaffte dem Luftschiffer die finanzielle Basis für seine Hobbies. 1925 nahm Dahl als erster Mensch ein Funkpeilgerät mit an Bord und 1927 errang er mit „Vater“ (Weitflugrekordler) Hugo Kaulen den 2. Platz bei einer inoffiziellen Weltmeisterschaftsfahrt in den USA. Freudig nahm Alexander Dahl 1932 die Einladung des Leiters des Essener Observatoriums und der Wetterdienststelle, Dr. P.A. Galbas, an, mit ihm als Ballonführer und Walter Popp (für Sauerstoff verantwortlich) dem Himmel möglichst weit entgegenzusteuern. Dazu wurde eher privat der Höhenballon „Bartsch von Sigsfeld“ vom Deutschen Aero-Club geschartert, der mit seinem Fassungsvermögen von 9.800 cbm Gas eigentlich für die Prüfung von Flugzeug-Höhenmotoren vorgesehen war und doch nicht so benutzt wurde. Das Material wog 3.000 kg. Die Tragkraft betrug 11.500 kg. Gefüllt hatte der Ballon eine Höhe von etwa 60 Metern und einen Durchmesser von 26 Metern. Nach dem Start am 31.8.1933 um 12 Uhr in Gelsenkirchen wurde gegen 13 Uhr in über. 8.000 Meter Höhe und mit Tempo 100 km/h das Wuppertal überquert. In solcher Höhe liegt die Temperatur gewöhnlich bei 52 Grad minus und verlangt dem menschlichen Körper im offenen Korb viel ab. Da andererseits die Sonne schien („Mantel aus und Sonnenbrille auf!“) war die Fahrt ein Wechselbad der Gefühle. Ohne (reine) Sauerstoffatmung ging nichts mehr und neue Instrumente halfen bei der Problemlösung. Eis wurde aus Gummiventilen herausgequetscht. Kurz vor 14 Uhr erreichte das Trio über dem Rhein zwischen Köln und Bonn mit 11.300 Meter die Rekordhöhe, die wegen fehlender Planung und Anmeldung später keine Anerkennung fand. Alexander Dahl nahm sich die Zeit für Aufnahmen mit der selbstentwickelten, revolutionären Infrarot-Kamera. Er lieferte nicht nur das erste Foto, das die Erdkrümmung zeigt und die Kugeltheorie belegt, sondern auch Luftbilder, die Höhenmessungen ermöglichen. Die Barographenberechnung wurde in der Genauigkeit weit übertroffen. Zuverlässige Standortbestimmungen waren durch die Funkeigenpeilung möglich und bestätigten die Fototechnik. Alexander Dahl und sein Team landeten nach der Rekordfahrt nordwestlich von Mayen. Seit der Erfindung des mit Heißluft oder Gas (brauchbar: Wasserstoff, Leuchtgas, Helium) gefüllten Freiballones im Jahre 1783 waren 150 Jahre vergangen. Statt der verdienten Anerkennung für Leistungsdetails, Erfindungen und den Rekord sahen sich die Ballonfahrer Menschen der begonnenen nationalsozialistischen Zeit gegenüber, die das Ereignis verschleierten und gar Dr. Galbas seines Essener Amtes enthoben, weil er dieses und Etatgelder für private Zwecke mißbraucht habe. Das erfolgreiche Unternehmen hinterließ finanzielle Löcher in den Kassen der Teilnehmer.
Bis zu seinem Tode am 15.12.1978 gab Alexander Dahl unermüdlich seine Erfahrungen an den Ballonfahrernachwuchs weiter und einer seiner „Schüler“, der heutige NVfL-Vorsitzende Lothar Jagdberg, lobt Dahls phänomenales Gedächtnis und die Gabe, verwirrende Technik einfach und für den Laien verständlich darzustellen. Ein letztes Mal hatte Alexander Dahl vor 20 Jahren, 80jährig, einen Freiballonkorb bestiegen, im Rathausfoyer anläßlich einer internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung.