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Pina Bausch

(kgc). Das Jahr 2008 brachte für die Star-Choreografin Pina Bausch wichtige Ehrungen. Dabei konnte sie sich nicht über mangelnde Auszeichnungen beklagen. Irgendwann war es der 63. Orden. 2007 erhielt sie den Kyoto-Preis, die höchste Weihe, die auf künstlerischer Ebene möglich ist. Am 21. September 2008 nahm sie in Erkrath aus den Händen des Japanischen Generalkonsuls Shin Maruo den von der kaiserlichen Familie ausgelobten „Orden der Aufgehenden Sonne am Halsband, Goldene Strahlen“ entgegen, der im Land der aufgehenden Sonne einen hohen Stellenwert hat. Dazu sagte Shin Maruo: „In Japan gibt es wohl keinen Menschen, der Frau Bausch nicht kennt.“ Die für den asiatischen Raum hohe Ehrung zielt auf 20-jährige Förderung der japanischen Tanzkultur. Frankfurt ehrte die 68-jährige am 28. August 2008 in der Paulskirche mit dem Goethe-Preis. Diese Auszeichnung wird alle drei Jahre am Geburtstag des Dichters an Persönlichkeiten verliehen, deren schöpferisches Wirken einer dem Andenken Goethes gewidmeten Ehrung würdig ist. Die Laudatio hielt der Filmregisseur Wim Wenders, der die weltberühmte Choreografin als epochal und einzigartig für die deutsche und internationale Theater- und Tanzgeschichte würdigte: „Pina Bausch ist authentisch und steht abseits der oft festgestellten aufgesetzten Künstlichkeit des Kulturbetriebes. Sie begreift Bewegung als ureigenstes menschliches Kommunikationsmittel“. Duisburg verlieh ihr durch die Köhler-Osbahr-Stiftung im Oktober 2008 den mit 15.000 Euro dotierten Musikpreis der Stadt und begründete die Entscheidung so: „Bauschs Kreationen sind Gesamtkunstwerke, in die die Musik eingeht. Pina hat einen unverkennbaren Stil kreiert, der seit vier Jahrzehnten auf allen Kontinenten gefeiert wird.“ Bei all dem Lob mochte die sonst zurückhaltende Stadt Wuppertal nicht länger warten und zollte der weltweit gefeierten Chefin des Wuppertaler Tanztheaters die verdiente Anerkennung in Form der Ehrenbürgerschaft. Im Schauspielhaus überreichte Oberbürgermeister Peter Jung der gebürtigen Solingerin die Ehrenbürgerschaftsurkunde. „Ein seltener Moment, denn die Stadt geizt mit diesem Ritterschlag“, schrieb denn auch Sabina Bartholomä im TOP-Magazin. Seit 1951 konnten sich erst elf Menschen in die Liste der Ehrenbürger eintragen.
Palastrevolution
Der damalige Intendant der Wuppertaler Bühnen, Arno Wüstenhöfer, hat 1973 der damals 33-jährigen Pina Bausch, die mit 15 Jahren ein Tanzstudium an der Folkwangschule begann, einen Vertrag als Ballettdirektorin angeboten. Pina antwortete: Was soll ich in einer solchen Fabrik?“ Nach langem Zögern willigte die Solistin von Kurt Jooss’ Folkwang-Ballett doch noch ein. Es war die Geburtsstunde des weltberühmten Wuppertaler Tanztheaters!
Das Engagement der Nachwuchschoreografin glich damals einer Palastrevolution. Viele Tänzer wollten kündigen. Das Publikum verließ Türen knallend die Vorstellungen. Die neue Ballettchefin wurde beschimpft und angespuckt. Die Zuschauer wollten die Träume einer Giselle in weißem Tutu sehen, nicht die Albträume einer Pina Bausch. Mit langem Atem und künstlerischer Überzeugungskraft gelang der Solingerin als einziger Tanztheater-Exponentin der Welt der Anschluss an die internationale Spitze.
Proteste hier – große Erfolge dort
In seiner Ansprache erinnerte Oberbürgermeister Peter Jung, großer Befürworter des Drei-Sparten-Theaters an der Wupper, an die Anfänge des Tanztheaters, als an „Dornröschen“ und „Schwanensee“ gewöhntes Publikum Türen schlagend das Opernhaus verließ. Die Zeit schien für Pina Bauschs Ausdrucksweise noch nicht reif. Das Ausland zeigte sich deutlich aufgeschlossener und begeisterungsfähiger.
Sabina Bartholomä: „Pina Bausch ist unbeirrt ihren Weg gegangen, gab Sinnlichkeit und Humanität Raum auf der Bühne und revolutionierte den Tanz.“ Viele Tänzerinnen und Tänzer haben Pina Bausch auf ihrem erfolgreichen Weg durch die Tanzwelt begleitet und die Ideen der Wahl-Wuppertalerin umgesetzt. Stadtchef Peter Jung ließ nicht unerwähnt: „Wenn ein Betrieb das Prädikat familienfreundlich verdient, dann das Tanztheater. Denn Kinder haben hier immer eine große Rolle gespielt, begleiteten kurzerhand die Eltern auf den Tourneen.“
Tanzen und tanzen lassen
Theaterstücke: „Komm und tanz mit mir“ (1977), Tanzoper „Orpheus und Eurydike“ (1975), „Sacre du Printemps“ (1975), „Cafe´ Müller/Das Frühlingsopfer“ (1978), „1980“, „Kontakthof“, „Himmel und Erde“, „Vollmond“, „Palermo Palermo“, „Nefes“, „Masura Fogo“, „Wiesenland“ (2000), „Sieben Todsünden“ (Wiederaufnahme 2009). Ihr letztes Stück war 2009 eine Kooperation mit Chile, das namenlos bleiben wird.
2008 leitete Pina Bausch zum zweiten Male das vom 7. bis 30. November dauernde Internationale Tanzfestival NRW unter dem Titel „Drei Wochen mit Pina Bausch“ mit insgesamt 70 Veranstaltungen, davon 20 in Wuppertal, 18 in Düsseldorf und 16 in Essen. 65 Kompanien hatten Pina’s Einladung angenommen und sorgten für 14 deutsche und europäische Erstaufführungen. Die Chefin leitete acht eigene Stücke aus allen Werkphasen.
Wuppertal ist …
Die Freude über die Ehrenbürgerschaft war Pina Bausch deutlich anzusehen. Eine Liebeserklärung an ihre zweite Heimat hat sie nicht vergessen: „Ich bin gerne hier, Wuppertal ist eine Alltagsstadt, keine Sonntagsstadt. Das ist wichtig für unsere Arbeit!“
Kind im Krieg
Pina Bausch hat den Zweiten Weltkrieg als Kind erlebt. Einmal erzählte die sonst eher Schweigsame: „Meine Eltern fanden den Bunker in Wuppertal sicherer als den in Solingen. So stand mein kleiner Rucksack immer gepackt im Flur. Meine Puppe schaute oben heraus. Bei Angriffen musste ich dann zu meiner Tante nach Barmen.“
Reaktionen („Setz Dich hin und lächle“)
Wer Pina Bausch kannte, der wusste, dass sie am liebsten die Körper ihrer Tänzer sprechen ließ. Komplimente beantwortete sie mit einem zurückhaltenden Lächeln: sehr erfreut, sichtlich gerührt, gewohnt bescheiden.
Privat
Geboren wurde Pina Bausch am 27. Juli 1940 in Solingen. Pina Bausch lebte mit dem Bühnenbilder Rolf Borzik zusammen, der schon 1980 gestorben ist.
Zitate
Pina Bausch (2008): „Tanz weckt Erinnerungen, Gefühle, Hoffnungen. Das verbindet uns alle.“
Pina Bausch (2008): „Für mich ist es eine große Freude. Jeder Aufenthalt in Japan ist ein unvergessliches Erlebnis. Hier habe ich begriffen, dass man uns überall auf der Welt versteht, Gefühle und Hoffnungen gleich sind. Es war spannend, mit einer vollkommen unbekannten Welt bekannt zu werden. So sind viele Freundschaften entstanden, die mich sehr glücklich machen, und für dieses Glück werde ich noch geehrt. Schöner kann es nicht sein.“
Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, Kultur-Staatssekretär des Landes NRW (2008): „Die Tanz-Pionierin Pina Bausch ist seit 40 Jahren eine aufgehende Sonne – in NRW und in der ganzen Welt.“
Filmregisseur Wim Wenders (2008): „Pina Bauschs Werk ist epochal, monumental, grandios und weltweit einzigartig.“
Proben und Aufführungen in Barmen
Schauspiel- und Opernhaus sind die Orte, auf deren Bühnen das Wuppertaler Tanztheater seine Stücke vielfach aufgeführt hat. Der Alltag hat aber auch östlich des Opernhauses stattgefunden, im ehemaligen Lichtspieltheater „Lichtburg“ an der Höhne. Den Kopfteil des Gebäudes nutzt das Hamburger-Restaurant Mc Donalds. Die zweite Companie probte in der alten Barmer Feuerwache am Heidter Berg.
Markenartikel
2009 wurde Pina Bausch, inzwischen 68 Jahre alt, überall auf der Welt verehrt und mit Auszeichnungen überhäuft. Ihr Werk war Markenartikel, Exportschlager und nationales Kulturgut!
Reaktionen zum Tod von Pina Bausch
Am 30. Juni 2009 ist Pina Bausch völlig unerwartet im Petrus-Krankenhaus an der Carnaper Straße gestorben, nachdem fünf Tage zuvor eine Krebserkrankung festgestellt worden war. Am 8. Juli 2009 begleiteten Familienangehörige und Ensemble-Mitglieder Pina Bausch auf ihrem letzten Weg. Auf dem Waldfriedhof an der Krummacherstraße in der Varresbeck fand sie ihre letzte Ruhe.
„Wir verlieren mit Pina Bausch eine herausragende Persönlichkeit, die in ihrer jahrzehntelangen künstlerischen Tätigkeit immer wieder Grenzen überschritten und dem Tanztheater neue Wege gewiesen hat. Ich bin tief erschüttert“, reagierte Bürgermeisterin Ursula Schulz, Vorsitzende des Kulturausschusses, auf die Nachricht vom Tod der Tanztheaterchefin. „Ihr Ableben ist ein Verlust für unsere Stadt, das Land Nordrhein-Westfalen, das Tanztheater in Deutschland, Europa und der Welt. Ich habe sie fast 30 Jahre gekannt: Ihr unermüdlicher Schaffensdrang, ihr unerschöpfliches Reservoir kreativer Ideen und ihr jahrzehntelanges Engagement hat weltweit den Tanz geprägt“, so die Vorsitzende das Beirates der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH weiter. „Sie wird nicht nur uns Wuppertalerinnen und Wuppertalern, sondern vielen Menschen in aller Welt fehlen.“

Informationsquelle:
Online im Internet: www.pina-bausch.de