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Adolf Vorwerk

Vom Unternehmer zum Stadtplaner

(kgc). Der Name Vorwerk ist jedem Wuppertaler selbstverständlich und vielen Deutschen wahrscheinlich ein Begriff. Zwei große Unternehmen tragen diesen Familiennamen: Vorwerk und Co., die Firma mit dem Kobold-Staubsauger, und Vorwerk & Sohn (Certoplast). Untrennbar mit Vorwerk & Sohn verbunden ist der Name Adolf Vorwerk. Der Kommerzienrat war einer der aktivsten und markantesten Vertreter der alteingesessenen Barmer Industrie. Außerdem hat er sich in kaum vorstellbarer Weise um den Barmer Süden verdient gemacht. Er hat ein gutes Stück Heimatgeschichte geschrieben.



Als zweiter Sohn des Fabrikanten Carl Vorwerk sen. (1812-1890) wurde Adolf am 14. Juni 1853 in Barmen geboren. Nach einer kaufmännischen Lehre in einem Antwerpener Exporthaus und nach Ableistung seines einjährigen Militärdienstjahres bei den Düsseldorfer Husaren trat er in die von seinem Großvater Johann Peter Vorwerk sen. zusammen mit dessen ältestem Sohn schon 1827 gegründete Firma Vorwerk & Sohn ein.

Zusammen mit seinem Bruder Carl machte Adolf Vorwerk unter Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten die ersten Versuche, die bis dahin nur auf Handstühlen, den sogenannten Bandmühlen, in der Hausindustrie angefertigten glatten Bänder auf mechanisch betriebenen Bandstühlen herzustellen. Schon bald zeigte sich eine so günstige Entwicklung, daß man einen weiteren Industriezweig, und zwar die Herstellung von Teppichen, hinzunehmen konnte. Auch hier mit bestem Erfolg arbeitend, gründeten die Brüder im Jahre 1883 die Firma „Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co.“, die wesentlich von Carl Vorwerk geleitet wurde, während Adolf sich besonders der Fabrikate der Stammfirma Vorwerk & Sohn annahm. Noch im gleichen Jahr trennten sich die Betriebe entsprechend den Neigungen Beider. Auf einem zwischen Kohlgartenstraße und Kleiner Werth erworbenen Grundstück erbaute Adolf ein modernes Fabrikgebäude und entwickelte neben den altangestammten Stapelartikeln, wie glatte Bänder, Kordeln, Litzen, die ersten zum Teil durch Patente geschützten Vorwerkschen Spezialartikel: Bänder zum Einfassen von Teppichen, Jalousiebänder mit eingewebtem Querbändchen, Gardinenbänder mit eingewebten Ringschlaufen, sowie Bänder mit eingewebtem Namen.
Beseelt von immer neuen Ideen, erkannte Adolf Vorwerk frühzeitig die Bedeutung der Mode für Fabrikation und Konsum. Damals trugen die Frauen lange Röcke, die bis zum Boden reichten, – die auf der Erde schleifenden Rockkanten waren natürlich einem schnellen Verschleiß ausgesetzt. Da ersann Vorwerk einen haltbaren Schutz für diese Rockkanten: die sogenannte „Besenborde“, die als „Velours-Kleiderschutzborde“ weltberühmt wurde. Die gesamte Wuppertaler Textilindustrie und besonders die Barmer Bandindustrie war durch diese Erfindung auf Jahre hinaus beschäftigt.
Während der Hochkonjunktur der sich im In- und Ausland so außerordentlich gut eingeführten Vorwerk-Velours-Kleiderschutzborde und zur Kapazitätserweiterung hat Adolf Vorwerk 1896 eine Filialfabrik auf dem Lichtenplatz errichtet. Dort wurde kurze Zeit später die Herstellung von Nottinghamer und Calaiser Spitzen betrieben, ein Fabrikationszweig, der im Jahre 1896 zunächst in Zusammenarbeit mit zwei anderen Firmen aufgenommen, 1904 aber von ihm allein weitergeführt wurde.

Immer auf der Ausschau nach geeigneten neuen Artikeln und wohl wissend, daß die Mode launisch und in schnellem Wechsel ständig Änderungen unterworfen ist, mithin auch die gute alte Besenborde einmal ausgedient haben würde, griff Adolf Vorwerk einen in Material und Herstellung völlig anders gearteten Artikel auf: die Fabrikation von Gummischutzblättern (Armblättern), die bis dahin vorwiegend aus Amerika importiert worden waren. Die Herstellung dieser Artikel, für die in der Lichtenplatzer Fabrik kostspielige Spezialmaschinen aufgestellt wurden, ließ sich aufs beste an, so daß man bald noch die Fabrikation anderer technischer Gummiwaren hinzunahm: elektrotechnische Isoliermaterialien und Isolierbänder. Damit war der Grundstein für das später so blühende Gummiwerk auf dem Lichtenplatz gelegt, dessen Spezialerzeugnisse sich im Laufe der Jahre im In- und Ausland höchste Anerkennung erwarben.

Bei seinem intensiven, unermüdlichen Schaffen, immer erfüllt von neuen Plänen und Ideen, fand Adolf Vorwerk in einem vorbildlichen, harmonischen Familienleben, in dem seine alte von ihm hochverehrte, tief religiös veranlagte Mutter den Ehrenplatz einnahm, Glück und Entspannung. Aus seiner Ehe mit Emma von Knapp gingen drei Söhne und vier Töchter hervor, die eine schöne und glückliche Jugend in einem Elternhaus verlebten, in dem Traditionen, Musik- und Kunstinteressen gepflegt wurden.

Über seine industrielle Tätigkeit hinaus hat Adolf Vorwerk sich besondere Verdienste um das Wohl und die Entwicklung seiner Vaterstadt erworben, die als Dank „in seinem Viertel“ eine Straße nach ihm benannt hat. Von frühester Jugend an erfüllte ihn tiefe Liebe zur Natur. So unternahm er allmorgendlich vor Geschäftsbeginn seinen Spaziergang auf die südlichen Höhen des Barmer Waldes und holte sich dadurch den notwendigen Ausgleich für seine intensive Arbeit. Mit vorausschauendem Blick erkannte er, daß die städtebauliche Entwicklung Barmens und Elberfelds, eingezängt im Tal der Wupper, auf die südlichen Höhen gehen müsse. Deshalb erbaute er 1888, unbeirrt durch das Kopfschütteln seiner Freunde, ein kleines Pensionshaus, das er „Barmer Luftkurhaus“ nannte und von einem Pächter bewirtschaften ließ, um so auch Fremden die Möglichkeit zu geben, die Schönheiten der Umgebung kennenzulernen. Aber nicht nur die Freunde verhielten sich ablehnend, auch die Stadtväter wollten nichts von seinen Plänen wissen und brachten für die großartige Idee, die reizvolle Landschaft zu erschließen, nicht das geringste Verständnis auf. So war Adolf Vorwerk ganz auf sich gestellt. Verkehrswege und Straßen mußten erbaut werden, die Wasserversorgung gesichert sein, Gasleitungen waren aus der Stadt hinaufzulegen – ein skizziertes Riesenprogramm in jener Zeit.

Inzwischen wurde das Luftkurhaus als Ausflugsstätte sehr beliebt und bestärkte Vorwerk in seinen Plänen. Als erste Verbindung mit der Stadt richtete er einen Pferde-Omnibus-Verkehr vom Barmer Zentrum zum Luftkurhaus ein, der bei der anfänglich nur geringen Inanspruchname erhebliche Zuschüsse von ihm forderte. Und schon tauchte ein neues Projekt auf. In der Schweiz überwand man die Höhenunterschiede durch Zahnradbahnen. Warum sollte man das nicht auch in Barmen können? Eine elektrische Zahnradbahn mit Anschluß über die Südhöhen nach Ronsdorf – das war der Plan, mit dem Vorwerk und sein Freund Albert Molineus eine Reihe tatkräftiger Barmer Bürger zu begeistern versuchten. So entstand die 1894 in Betrieb genommene Barmer Bergbahn. Entscheidend war, daß diese Bahn nicht nur für die Ausflügler gedacht war, sondern auch einen verkehrspolitischen Zweck erfüllte. Im Jahre 1892 baute Vorwerk das zweite Luftkurhaus, das mit seiner großen Glasveranda einen herrlichen Blick in das Bergische Land bot und bald mit dem Toelleturm ein beliebtes Ausflugsziel wurde.

Ein weitverzweigtes Leitungsnetz versorgte vom Murmelbach aus durch elektrische Pumpen das junge Wohngebiet zwischen Toelleturm und Lichtenplatz mit Wasser, ebenso Vorwerks Betrieb. In den 90er Jahren erwarb Adolf Vorwerk die sogenannte „Turmbahn“. Um diesen Aussichtsturm herum wurden Grünflächen und – ein Beweis für Vorwerks fortschrittliche Gesinnung – Sport- und Spielplätze mit allerlei Turngeräten angelegt. Die ersten Feste der Barmer Turnvereine und viele Sommerfeste der Barmer Schulen wurden dort gefeiert. Wenig später übernahm die Stadt Barmen die Versorgung des Höhenviertels und zahlte dem Investor für sein großzügig angelegtes Leitungsnetz nur eine minimale Vergütung. An der Entwicklung des benachbarten Gebietes zwischen Gelpetal und Freudenberg war Vorwerk versorgungstechnisch ebenfalls beteiligt. Dort scheiterte eine einheitliche Planung lange an der ständigen Rivalität zwischen Barmen und Elberfeld.

Im Jahre 1907 verlor Adolf Vorwerk seine noch junge Lebensgefährtin. Das war ein schwerer Schicksalsschlag, den er viele Jahre nicht überwinden konnte. Trost mochte ihm die Arbeit in seinen blühenden Betrieben bringen, noch mehr aber mag ihm seine Naturliebe geholfen haben. Im Murmelbachtal entstand in diesen Jahren aus einem öden alten Steinbruch ein Naturpark von seltener Anmut und Schönheit: Felspartien mit prächtigen alpinen Gewächsen wechselten ab mit grünen Wiesen, munteren Bachläufen und idyllischen Wasserflächen.

Nach den Wirrnissen des Ersten Weltkrieges (1914-1918), die an seinen Betrieben nicht spurlos vorbeigegangen waren, traf Adolf Vorwerk bei angeschlagener Gesundheit noch ein harter Schlag: sein ältester Sohn Adolf, der dem Vater viel von der Arbeitslast abgenommen hatte, starb plötzlich an einer Grippe. Kommerzienrat Adolf Vorwerk sen. verstarb nach längerem Krankenlager am 20. August 1925.
Auch wenn das bevorzugte Wohngebiet auf den Barmer Höhen zur Selbstverständlichkeit geworden ist und die Straßenbahnen und Zahnradbahn der Vergangenheit angehören, durch sein Wirken und seine vorausschauenden Aktivitäten hat sich Adolf Vorwerk einen bleibenden Platz in der Barmer und Wuppertaler Stadtgeschichte gesichert.

Leicht geänderter Text von Marie-Luise Baum aus „Wuppertaler Biographien, 2. Folge“,
Beiträge zur Geschichte & Heimatkunde des Wuppertals, Band 5, Born-Verlag 1960.