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Fabrik Seifen Luhns, Schwarzbach 91-102

Fabrik Seifen Luhns, Schwarzbach 91-102
(kgc). Mit dem Auszug der Restproduktion aus der Schwarzbach und endgültigen Abschied aus Oberbarmen ging 2001 die Ära eines der größten Unternehmen im Stadtteil zuende. Wieder verlor das ehemalige Rittershausen und heutige Oberbarmen zahlreiche Arbeitsplätze. Grund genug, die Geschichte des traditionsreichsten Oberbarmer Unternehmens zu beleuchten. Vorweg gesagt sei, dass „Luhn“ in norddeutscher Plattsprache nichts anderes als „Schmutz“ heißt – und den von Körper und Wäsche zu entfernen, hat sich Luhns zur Aufgabe gemacht. Ein Vertreter der Familie spielt allerdings keine Rolle mehr.
Seit Jahrhunderten ist die Familie Luhn im Raum Wuppertal ansässig und wird schon 1570 in alten Urkunden als Mühlenpächter und Kaufleute erwähnt. Der Wittener Kaufmann August Luhn begann um 1868 mit der handwerklichen Herstellung von Schmierseife. Die im Jahre 1869 von August Luhn, seiner aktiven Ehefrau Pauline (zu ihrem Gedenken wurde auf den Barmer Südhöhen 1914 ein Aussichtspunkt „Paulinenruhe“ mit Linde und Ruhebänken gestiftet), geborene Wink, und Theodor Leyerer (Kompagnon) gegründete (laut historischer Anzeige) „erste elektrisch betriebene und größte Seifenfabrik Deutschlands“ begann ihre Produktion in einem kleinen Gebäude mit einem mit Kohle direkt beheizten Eisenkessel von 3 Tonnen Inhalt, in dem Schmierseife gesotten wurde, wogegen ein Jahrhundert später die dampfbeheizten Siedekessel eine Kapazität von etwa 1.000 Tonnen hatten. Zur Herstellung von Schmierseife verwendet man tierische Fette wie Tran, Talg oder Knochenfett. Diese wenig appetitlichen Zutaten werden mit Kalilauge aufgebrüht. Anschließend bildet sich unter Zugabe von Kaliumchlorid die Seife. Als Abfallprodukt bleibt Glyzerin. Damals war Schmierseife ein universelles Reinigungsmittel; nicht nur die Wäsche, Fußböden und Geräte reinigte man mit der grünen Seife, sondern auch Hände und Körper.
Zwischen 1880 und 1905 erlebte Luhns goldene Zeiten. Die Produktionsanlagen erreichten eine Größe, die das heutige Werk umfasst. Gleichzeitig wuchs die Bebauung der Schwarzbach. Luhns, ehemals auf der grünen Wiese gelegen, befand sich nun unversehens mitten in der Stadt. Damit entstanden Verkehrs- und Umweltprobleme, die erst in den 1980er Jahren weitestgehend gelöst werden können. Um die Jahrhundertwende dehnte Luhns die Produktionspalette aus; neben der altbewährte Schmierseife stellte man nunmehr Haushalt- und Spezialkernseifen, Handwaschpasten, Fein- und Rasierseifen sowie Waschpulver her. Trotz allen unternehmerischen Fortschritts kam es aber bei Luhns zu einer folgenschweren Fehlentscheidung. Die Oberbarmer Saubermänner lehnten den Zusatz von Perborat als zu aggressiv einschätzte. Die Düsseldorfer Konkurrenz entwickelte die Perborat-Idee indes weiter und schuf den Evergreen „Persil“ (Perborat und Natrium-Silikat).
Wo früher ein Stall die Pferde für den Transport der Ware beherbergte, standen später Fabrikationsstätten bis zu einer Höhe von sechs Stockwerken. Der Ausbau des Werkes auf einem Areal von 15.000 qm ging wegen der Hanglage weniger in die Breite – nebenan stand beispielsweise das Pferde- und spätere Straßenbahndepot, von dem noch Remise und Turm künden – als in die Höhe. So wurden die Bahnwaggons, nach Ausbau der Strecke der Rheinischen Eisenbahngesellschaft 1879, von der Berghöhe aus in die Dachgeschosse der Fabrikgebäude eingefahren. Baufälligkeit ließ dieses Verfahren zuletzt nicht mehr zu und inzwischen wurde die Anlieferung von Flüssigmitteln über die Schiene ganz eingestellt. Einst vor den Toren Rittershausens auf der grünen Wiese errichtet, lag der Betrieb schon bald mitten in der Stadt.
Der Weg vom Seifenhersteller zum Anbieter von Haushalts- und Spezialkernseifen, Handwaschpasten, Waschpulver, Fein- und Rasierseifen vollzog sich um die Jahrhundertwende. Zuvor wurden Markennamen, wie „Abrador“, patentamtlich geschützt. Um 1904 förderten Luhns-Mitarbeiter das nötige Wasser aus einem 100 Meter tiefen Brunnen und täglich verließen rund 100.000 Kartons das Werk. 1914 beschäftigte der Seifensieder 260 Mitarbeiter. Nach 1925 wurde das Vertriebskonzept verändert, Geschenkpackungen und parfümierte Kernseifen hielten Einzug auf dem Markt. „Barmenia“ und „Ideal“ ließen sich prima verkaufen. Schmierseife gab es in Gold, Silber und Alabaster. Die „Alco“-Kosmetikserie wurde um Hautcremes, Haarwaschmittel und Rasierwasser erweitert. Glycerin als Abfallprodukt der Seifenproduktion konnte als Frostschutzmittel weiterverwertet werden.
Die Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts mit ihren politischen und wirtschaftlichen Zäsuren stellten Luhns vor viele Schwierigkeiten. Besonders der Zweite Weltkrieg, der beträchtliche Zerstörungen an den Werksanlagen und Verluste von Absatzgebieten mit sich brachte, unterbrach die Aufwärtsentwicklung. Nach Kriegsende bauten Unternehmensleitung und ein kleiner, treuer Stamm der Belegschaft unter schwierigen Umständen ihre Arbeitsstätte und den Absatzmarkt wieder auf. Die 100jährige Firma August Luhn & Co. hatte 1969 ihren Vorkriegsumsatz verzehnfacht.
Die „Seepen-Luhns“, wie sie der bergische Volksmund nannte, entwickelten sich in den Jahren nicht nur zu einem bedeutenden Betrieb Wuppertals, sondern zu einem namhaften deutschen Unternehmen der Branche mit wachsenden Märkten im Ausland. Scheinbar legten die Menschen überall mehr Wert auf Sauberkeit … Die Werbestrategen im Hause Luhns reagierten rechtzeitig auf geänderte Verhaltensweisen. Als Supermärkte Tante Emmas Läden verdrängte, belieferten Luhns als Erste die neuen Discountmärkte mit Waschmitteln. Produktionen für Handelsmarken und Lohnfertigung bedeuten, dass bei manchem Reinigungsmittel der Hersteller nicht erkennbar ist. Absatzschwierigkeiten und Verkaufserfolge wechselten rasch.
Moderne Fertigungsanlagen wie Hochleitungsdestillation, vollautomatische Seifenstraßen, eigene Wasser- und Kraftversorgung, neuzeitliche Laboratorien und Versuchswäschereien hielten Produktion, Verwaltung und Vertrieb leistungsfähig. Das vergangene Vierteljahrhundert war von Umstrukturierungen gekennzeichnet. 1972 wandelte die Familie Luhn ihren Betrieb in eine Aktiengesellschaft um und wenig später wurde das Aktienpaket von der belgischen Firma Tensia, die zur BP-Gruppe gehörte, erworben. Seit 1987 gehört das Unternehmen zur Züricher Steinfels AG und firmiert als GmbH mit Produktion von Haushalts- und Körperpflegemitteln. Vor wenigen Jahren scheiterte aus kartellrechtlichen Gründen eine Übernahme durch die Düsseldorfer Henkel AG, dem großen Zulieferer, aber auch Konkurrenten.
Ein großer Teil der Produktion wurde auf andere Standorte, etwa im münsterländischen Greven (Flüssigwaschmittel, Kosmetika), im belgischen Lembeek (Pulvererzeugnisse) und in Bopfingen (Waschpulver und Flüssiges, verlagert, weil Erweiterungen in der Schwarzbach und Richtung Wichlinghauser Bahnhof – wohl wegen mangelndem Verkaufsinteresse der Bundesbahn – unmöglich waren und die Bürger gegen den zeitweisen Gestank protestierten. Bis zuletzt geblieben ist die Herstellung von festen Seifen und Spezialitäten. Die Veränderungen gingen zu Lasten von Arbeitsplätzen. Über 650 Mitarbeiter verteilten sich auf alle Standorte, bis jüngst das Aus für den Standort Wuppertal kam. In den letzten Jahren haben Luhns begonnen, das Betriebsgelände zu bereinigen, unbrauchbare Gebäudeteile abzureißen und die der Schwarzbach zugewandten Fassaden zu renovieren. So kommen die historischen Industriebauteile wieder richtig zur Geltung. Gute Geschäftsergebnisse auf dem Markt vom Allroundwaschmittel bis zur Zahncreme haben entsprechende Investitionen möglich gemacht.