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Emmy Albus

Aus dem Buch „Wuppertals Olympiageschichte“ (1996, Verlag J.H. Born GmbH) mit freundlicher Genehmigung von Herausgeber und Autor Peter Keller

Die Rekordliste der Deutschen Frauenleichtathletik führte zwei Höchstleistungen für Nationalstaffeln in den 1930er Jahren. Beide Leistungen waren zugleich Weltrekorde, und in beiden stand der Name Emmy Albus. Den Anteil, den sie an diesen Glanzleistungen hatte, kann man nicht nach Sekunden oder Zehntelsekun-den angeben. Das er beträchtlich war, weiß jeder, der 1936 im Berliner Olympiastation saß und in Vor- und Endlauf dem prächtigen Rennen von Emmy Albus, an erster Stelle der deutschen Staffel, folgte. Zwischen den Frauenweltspielen 1934 in London, bei denen in 9 von 12 Wettbewerben deutsche Damen siegreich waren und dem Schlusstag von Berlin 1936 lagen die Weltrekorde der deutschen 4 x 100 m Staffel, die fast am laufenden Band aufgestellt und verbessert wurden.

Immer war Emmy Albus, ein Gewächs des Barmer Turnvereins, dabei, immer stand sie am Start. So war es auch 1936 beim großen Olympischen Endlauf im Berliner Olympiastadion. Im Vorlauf liefen die vier Damen mit Emmy Albus an der Spitze erneut Weltrekord., der ihre damalige Vormachtstellung dokumentierte. Die Goldmedaille über 4 x 100 m schien so gut wie sicher. Im Endlauf verschlug es den über 100.000 Besuche-rinnen und Besuchern den Atem.

Emmy Albus rannte als Startläuferin wie gewohnt durch die Kurve und gewann an Boden. Der Wechsel zu Käte Krauß klappte vorzüglich. Auf der Geraden ließ Käte Krauß die Gegnerinnen weit hinter sich. Wieder ein großartiger Wechsel, und Marie Dollinger lief in der zweiten Kurve das Rennen ihres Lebens. Sie wusste, dass Ilse Dörffeldt als Schlussläuferin gegen die 100 m Olympiasiegerin Helen Stephens (USA) viele Meter Vorsprung haben musste und handelte danach. Als sie den Stab weitergeben wollte, war der Vorsprung auf 10 Meter angewachsen. Ein sensationeller Lauf! Doch während das Stadion raste, war das Unglück schon geschehen. Ilse Dörffeldt hatte sich bei der Stabübernahme überhastet, hielt den Stab nicht fest genug, und ehe sie überhaupt richtig zu laufen begonnen hatte, kullerte der Staffelstab schon über die Aschenbahn. Die Deutsche stoppte ab und schlug weinend die Hände über den Kopf zusammen. Ein Sieg verschenkt. Ein neuer Weltrekord verhindert. Aufgrund des Stabverlustes wurde die deutsche Staffel dis-qualifiziert. Die USA gewann in 46,9 Sek. die Goldmedaille, vor Großbritannien und Kanada. Einige Wo-chen später kam es im Wuppertaler Stadion am Zoo zur Olympia-Revanche. Deutschland legte bei den Wechsel Wert auf Sicherheit und gewann knapper, als es in Berlin der Fall gewesen wäre.

Bei den Olympischen Spielen 1936 im Einzellauf über 100 Meter der Damen erreichte Emmy Albus den 6. Platz. Neben ihrer Olympiateilnahme und ihren Staffel-Weltrekorden lief sie 1938 einen Weltrekord über 4 x 200 m in 1:45,0 Min.. 1938 wurde sie Europameisterin in der 4 x 100 m Staffel in 46, 8 Sek. Emmy Albus hatte mit ihrer Olympiateilnahme und ihren Weltrekorden eine erfolgreiche Epoche der Leichtathletik des Barmer TV 1846 und damit der ganzen Wuppertaler Leichtathletik gekrönt. Sie half nach dem Zweiten Weltkrieg mit, eine neue erfolgreiche Epoche einzuleiten. Sie war dabei, als der SSV Wuppertal 1948 die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft der Frauenleichtathletik gewann und ein Jahr später den Titel vertei-digte.

Über ihren Weg zum Sport erzählte Emmy Albus Mitte der 1930er Jahre: „Ich war als kleines Mädchen immer die schnellste meines Alters. Das Laufen bereitete mir großes Vergnügen. Außerdem gewährte mir dies in den späteren Schuljahren auch einige sehr reale Vorteile, denn wenn ich fünf Minuten zu lange im Bett gelegen hatte und mir das Verhängnis eines Tadels drohte, gelang es mir, die versäumte Zeit durch einige schnelle Spurts wieder aufzuholen. Wer damals einem Verein beitreten wollte, um Leibesübungen zu betreiben, musste sich einem Turnverein anschließen. Es gab nichts anderes. Außerdem war mein Va-ter ein begeisterter Geräteturner und fand es richtig, dass seine Tochter in seine Fußstapfen zu treten schien. Dies tat ich jedoch ohne größere Anteilnahme. Als 12-jährige lief Emmy Albus 1923 im Rahmen der Reichsjugendwettkämpfe innerhalb eines Dreikampfes die 75 m in 10 Sekunden. Die Frauenleichtathletik steckte damals in den Kinderschuhen. Erst 1928 entdeckte ich sie und sie mich.“

1928 war das Jahr der Olympischen Spiele in Amsterdam. Mit der Jugend des Barmer Turnvereins fuhr Emmy Albus als Augenzeugin in die Niederlande. Dort hörte sie erstmals den Namen Marie Dollinger und ahnte nicht, dass sie einmal in der gleichen Staffel laufen würden. Die Leichtathletik hatte sie nun gefangen. Sie ließ sich für den 100 m Lauf melden. Den ersten Lauf ihres Lebens absolvierte sie in 12,2 Sekunden. Mit der gleichen Zeit stellte die Olympiasiegerin von 1936 Betty Robinson einen neuen Weltrekord auf.

Emmy Albus wurde am 13. Dezember 1911 geboren. Insgesamt hat sie von 1934 bis 1939 an fünf Leicht-athletikländerkämpfen teilgenommen. Bis 1936 startete sie für den Barmer Turnverein 1846, danach für den SC Charlottenburg Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat sie für den SSV Wuppertal an, der 1954 in den Wuppertaler SV fusionierte. Emmy Albus-Liersch, wie sie nach ihrer Hochzeit hieß, hat bis weit in die 1980er Jahre hinein regelmäßig an Treffen ehemaliger Leichtathletinnen in Wuppertal teilgenommen. Mit dabei waren auch Grete Busch und Elisabeth Molineus. Nachdem sie ihre letzten Lebensjahre in einem Altenheim in Berlin-Charlottenburg verbracht hatte, verstarb sie am 20. September 1995 nach langer schwerer Krankheit im Altern von fast 84 Jahren.