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Hans-Joachim Ossé

Hans-Joachim Ossé ist am 31. Januar 1995 aus dem aktiven Schuldienst verabschiedet worden. Wer den ehemaligen Rektor der Bernhard-Letterhaus-Schule kennt, weiß, dass er zur Garde der Pensionäre gehört, die nie Zeit haben und für die der Ruhestand ein Unruhestand ist. Dennoch hat sich der Oberbarmer Junge auf diese Zeit vorbereitet und gefreut, „weil es noch soviel Interessantes und Wichtiges zu tun gibt, ob in Gesellschaft, Kirche oder anderswo.“ So werden ihn Orts-, Kirchen- und Schulgeschichte fordern, womit er einer Bitte des Bergischen Geschichtsvereins und des Historischen Archivs des Erzbistums Köln nachkommt. Historiker und Forscher freuen sich über Mitstreiter. Für seine Verdienste hat Hans-Joachim Ossé im Juni 1995 aus den Händen von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner Insignien und Urkunde einer Auszeichnung erhalten, für die Papst Johannes Paul II. verantwortlich ist: der päpstliche Silvesterorden! Damit sollten das Engagement des Ordensträgers für das katholische Schulwesen und die vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Erzdiözese Köln, im Stadtdekanat Wuppertal und in der Oberbarmer Pfarrei St. Johann Baptist gewürdigt werden.
Nach der Geburt am 8.1.1935 wohnte der „Abendmensch“ Hans-Joachim Ossé mit seinen Eltern in der Normannenstraße. Er besuchte die katholische Volksschule Wichlinghauser Straße und erlernte den Beruf eines Kaufmanns in der Textilbranche. Eine berufliche Wende vollzog sich mit dem Besuch des Erzbischöflichen Abendgymnasiums in Neuß und anschließendem Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, danach der Pädagogik in Köln. Ossé wurde für ein Jahr Sekretär beim katholischen Jugendamt seiner Heimatstadt. 1963 kehrte er an „seine“ Schule in der Wichlinghauser Straße zurück, diesmal als Lehrer. Bevor ihn die berufliche Laufbahn zur katholischen Hauptschule Carnaper Straße führte, rückte die Familiengründung in den Blickpunkt. Die Hochzeit mit Ruth und später die Geburten von Nicola und Isabell. Im Pfarrhaus Normannenstraße 75 fanden die Ossé s 1973 ein neues Zuhause. Nach Tätigkeit als Fachleiter für katholische Religionslehre am Bezirksseminar Wuppertal (bis 1972) und Mitglied des staatlichen Prüfungsamtes für katholische Religionslehre an der Bergischen Universität Wuppertal (bis 1995), prägte Hans-Joachim Ossé ab 1971 als Konrektor und von 1988 bis zur Pensionierung im Januar 1995 als Rektor die Geschicke der katholischen Hauptschule nicht nur 25 Jahre schulisch wesentlich mit, sondern die Umbenennung in Bernhard-Letterhaus-Schule dokumentiert auch geistige und gesellschaftspolitische Ansprüche. Bei seiner Verabschiedung am 31. Januar 1995 beschrieb Schulamtsdirektorin Waltraud Kalsbach-van Gerfsheim den Pensionär als „angenehmen, zurückhaltenden Menschen mit hohem Verantwortungsbewußtsein“. Am letzten Schultag waren auch Weihbischof Norbert Trelle aus Köln und Oberbürgermeisterin Ursula Kraus und mit ihnen viele aus Kirche, Gesellschaft und Politik erschienen. Tags zuvor hatten sich mit einer tollen dreistündigen Show im Wuppertaler Opernhaus die Mädchen und Jungen der Hauptschule von ihrem Rektor verabschiedet.
Im gesellschaftlichen Bereich ist Hans-Joachim Ossé ein Grundanliegen, dass mehr Jugendliche in politische Verantwortung kommen. Doch fehlt ihm gerade dazu die Glaubwürdigkeit der jetzt Verantwortungtragenden. „Vorbilder mit uneigennützigem Engagement fehlen, wie an anderen Stellen auch“, meint Ossé. Zur Schulpolitik der Gegenwart hat der pädagogische Fachmann eine persönliche Meinung. An der Diskussion um die 6. Gesamtschule und der Beschlussfassung durch den Wuppertaler Stadtrat mißfällt ihm nicht, dass dem Elternwillen Rechnung getragen wird – weil auch die Christen für ihre Bekenntnisschulen dieses Recht in Anspruch nehmen – sondern das massive Tempo, durch das die bestehenden Hauptschulen und auch benachbarte Realschulen in ihrer Existenz gefährdet werden. „Schlecht ist die Belastung für andere, gesund aber ein langsames Wachstum bei der pädagogischen Arbeit“, so Ossé. Der Gesamtschule-Gedanke ist ihm zu „verwaschen“ und mit „Ideologie behaftet“. In seiner Pfarrgemeinde St. Johann Baptist ist Hans-Joachim Ossé „ein Mann für alle Fälle“. Ein Zeichen dafür, dass er sich nicht aus der Verantwortung stiehlt. In seiner Kindheit- und Jugendzeit als Jugendgruppenleiter, Messdiener und Vorbeter, dann als Lektor und Kommunionhelfer, arbeitete er auch 17 Jahre im Pfarrgemeinderat mit, davon 10 Jahre als dessen Vorsitzender. Herausragende Aufgaben waren der Erhalt der katholischen Grundschule, Gemeindemissionen und 3.Welt-Projekte. Dem Kirchenvorstand gehört er seit 1973 an. Als derzeitiger geschäftsführender stellvertretender Vorsitzender nennt Ossé als Schwerpunkte die in den Jahren 1990 bis 1993 erfolgte Restaurierung der Pfarrkirche und das 1997 abgeschlossene Orgelprojekt sowie die grundlegenden Renovierungen der Kindertagesstätte und des Gemeindezentrums Johanneshaus. Abseits formaler Funktionen leitete der Lehrer 16 Jahre den Laienspielkreis der katholischen Jugend Oberbarmen, der durch seine Aufführungen mit anspruchsvoller Literatur weit über die Grenzen Wuppertal’s hinaus bekannt war und bei den Rheinischen Laienspieltagen beachtenswerte Resonanz fand. Seit 1962 singt er im Kirchenchor mit, wobei der Gregorianischen Choral einen hohen Stellenwert besitzt. Den Chorvorsitz führte er 27 Jahre. Jüngste Arbeit ist nach Aufarbeiten des gesamten Archivmaterials der Oberbarmer Pfarrei die Fertigstellung eines Findbuches über die pfarrgeschichtliche Sammlung, die für den bergischen Katholizismus in Geschichte und Forschung durch die Erschließungsarbeiten eine zentrale Bedeutung hat. Darin eingebettet sind auch die Verzeichnung der Archivalien “Bernhard Letterhaus“. Die Erschließungsarbeiten des noch jungen Pfarrarchivs der Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt Nächstebreck sind bei ihm in guten Händen und stehen vor dem Abschluß. Über die Oberbarmer Gemeinde hinaus wirkte Ossé auch bis zu seiner Pensionierung in Dekanatsgremien und Diözesanarbeitskreisen und Ausschüssen mit. 1972 war Ossé als Kandidat für die Wahl zum Mitglied der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg aufgestellt. Mit Blick auf die fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft und einer schwindenden Glaubenssubstanz der Christen sieht er heute aber auch viele hoffnungsvolle Ansätze christlichen Lebens, besonders bei den Jugendlichen, wie es der Weltjugendtag gezeigt hat. Nüchtern stellt er aber auch fest, dass „zunehmend immer weniger Priester immer mehr Gottesdienste feiern, die wiederum von immer weniger Gläubigen besucht werden“. Die gegenwärtigen Strukturfragen in der Kirche sieht er deshalb als notwendig, hofft dabei auf gute Lösungen, damit „die eigentlichen Aufgaben der Kirche wie Liturgie, Verkündigung und Caritas wieder in den Mittelpunkt christlichen Gemeindelebens rücken“. Trotz aller beruflichen und kirchlichen Verpflichtungen blieb noch Laune und Muße für Sport und Muse. Da war in jungen Jahren der Fußball (Jugendtorwart), später Ski-alpin und bis heute noch Bergwandern. Singen und Schauspielern gehören in die Sparte Kultur und die Fotografie zur Kunst. Mehrmals führte er als Reiseleiter des Katholischen Jugendferienwerkes junge Menschen zu den Salzburger Festspielen. Mit Schülern hat er nach Drehbuch manches Erlebnis auf Film und später Video gebannt. Landschaften, ob an der See oder in den Bergen, sind Lieblingsmotive. Bevorzugte Reiseziele sind deutsche Lande, Österreich, Italien und besonders die Schweiz. Regelmäßige Gartenarbeit ist Ausgleich und für die Entspannung nützlich.
Die katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) hat Hans-Joachim Ossé mit dem „Bergischen Löwen“ ausgezeichnet. Der 40. Träger wurde für besondere Verdienste um die Verwirklichung der christlichen Soziallehre geehrt. Ordensstifter Jürgen Abeler in seiner Laudatio: „Er hat sich massenhaft Zeit genommen, seinen Schülern zu dienen. Er ist dabei nie dem Zeitgeist nachgelaufen, hat aber seine Aufgabe fest in die Hand genommen“. Wenn Ossé versucht hat, den Jugendlichen das Menschenbild des Widerstandskämpfers und Schulnamenspatrons Bernhard Letterhaus zu vermitteln, dann auch in dem Anliegen, „die christlichen Werte im persönlichen und beruflichen Alltag umzusetzen“. Sein Vermächtnis an die Carnaper Schülerschar: „Ich wollte sie nicht nur auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten, sondern auch in christliche Werte und Ordnungen einbinden, damit sie ihr Leben sinnvoll gestalten.“ Auch nach seiner Pensionierung wird der ehemalige Lehrer und Rektor hin und wieder in seine alte Wirkungsstätte eingeladen, um den Schülern das Lebensbild des Namenspatrons der Schule aufzuzeigen. In seiner im Spätherbst 1994 herausgegebenen Dokumentation „Nur aus Standhaftigkeit wird die Welt gerettet“ hat Hauptschulrektor Hans-Joachim Ossé nicht nur die bisher umfangreichste Biografie über Bernhard Letterhaus geliefert, sondern auch eine Bilanz über die Namengebung der katholischen Hauptschule an der Carnaper Straße gezogen.

13.03.2008