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Amtsgericht

Amtsgericht

(kgc). Zu Beginn des Jahres 2006 wurden die Mitarbeiter des Justizvollzugsamtes am Sedansberg und die Verantwortlichen von der Nachricht aus Düsseldorf überrascht, dass der Standort aufgegeben wird. Erst drei Jahre zuvor, war das historische Gebäude für 6,5 Millionen Euro saniert und ausgebaut worden. Nun setzt die neue CDU/FDP-Landesregierung auf Entbürokratisierung, löst eine Verwaltungsebene auf und verlegt die Mitarbeiter ins Ministerium und in die Justizvollzugsanstalten, zum Beispiel ins Simonshöfchen. Voraussichtlich geht noch in diesem Jahr eine weitere Ära zu Ende. Die Spielkarte für eine Folgenutzung hatte dann der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes, der 2008 mit der Musikhochschule einen attraktiven neuen Mieter präsentierte.
Es war einmal ein gerichtlicher Ortstermin im Fischertal zu Barmen. Es ging darum, ob der Putz der rückwärtigen Fassade eines Hauses rissig ist. Frau Amtsgerichtsrätin Dr. Geller diktiert die Aussage eines dazu vernommenen Anstreichermeisters ins Protokoll: „Im Juli 19.. erhielt ich den Auftrag, die Hinterfront der Klägerin zu streichen…“ Meldet sich der Prozeßbevollmächtigte, Rechtsanwalt Dr. Schieß: „Verzeihung, Frau Amtsgerichtsrätin, muss das nicht „streicheln“ heißen?“ „Wie bitte?“ denkt der Leser der Gegenwart unweigerlich bei dieser Geschichte.
Der Ortstermin gehört in eine Zeit, als es noch in Barmen ein Amtsgericht gab. Das 1902 errichtete Gebäude steht noch, wurde lange Jahre als Jugendvollzugsanstalt, Vollzugsschule und Justizvollzugsamt genutzt. Abschiebehäftlinge waren vor über einem Jahrzehnt zeitweise untergebracht. Für die gegenwärtige Nutzung wurden die Ämter Hamm und Köln aufgelöst. Der nach Abriss des Zellentraktes errichtete neue Anbau musste durch einen Aufzug mit dem Baudenkmal verbunden werden. Am 16. Januar 2003 fand die feierliche Einweihung als Landesjustizvollzugsamt Nordrhein-Westfalen durch NRW-Justizminister Wolfgang Gerhards, Präsident des Landesjustizvollzugsamtes Klaus Hübner und Oberbürgermeister Dr. Hans Kremendahl statt. 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter koordinieren die Tätigkeiten in 37 Justizvollzugsanstalten.
Die Barmer Gerichtsbarkeit entwickelte sich aus den Friedensgerichten, die ebenso wie das am 12. August 1865 gegründete Handelsgericht, dessen Präsident von Beginn bis 1879 Friedrich von Eynern war, aufgehoben wurden. Das erste Barmer Amtsgericht war dem Landgericht Elberfeld unterstellt, dem 1895 23 Richter in 11 Amtsgerichten zugeordnet waren. Fünf Richter und weitere Mitarbeiter hatten ihre Diensträume in einem Haus am Karlsplatz, dem heutigen Geschwister-Scholl-Platz. Dieses Gebäude musste dem Bau der Ruhmeshalle (heute Haus der Jugend) weichen. Am 9. August 1902, wurde, so die „Barmer Zeitung“, das neue Amtsgericht in der Sedanstraße in Betrieb genommen. Montags startete man mit Zivilsachen und dienstags fand die erste Sitzung des Schöffengerichtes statt.. Die Einrichtung im ganzen Gebäude wird als „einer Großstadt würdig“ beschrieben, mit „aller Bequemlichkeit für Beamte und Recht suchende Personen.“ Es wird allerdings bedauert, dass es in Sälen und Gängen kein Gas- oder elektrisches Licht gibt und auch nicht geplant ist. „In Büros soll Petroleum gebrannt werden, weil es weniger feuergefährlich ist“, so der Chronist. An das Amtsgerichtsgebäude schlossen sich das Gerichtsgefängnis mit Wohnung für die Gefängnisaufseher, eine Küche, die Wirtschafts- und Waschräume an. Eine zentrale Dampfheizung war installiert. 43 Gefängniszellen gab es in dem baulich bis in die Gegenwart erhaltengebliebenen roten Backsteinbau, den Formen der Renaissance zieren. Gegen die „Goldenen Lettern“ über dem Eingang regte sich in juristischen Kreisen Widerstand. „Der Richter sitzt an Kaisers Statt“, hieß es, obwohl „im Namen des Königs“ geurteilt wurde. Später wurden Zusatzräume in dem 1929 am Steinweg errichteten Gebäude genutzt. Längst hat dort das städtische Einwohnermeldeamt ein Domizil gefunden. 1938 ist der Barmer Gerichtsbezirk mit dem Elberfelder vereinigt worden. Ein Markstein in Sachen Recht ist bis heute das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).