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Archiv für den Tag: 10. Februar 2010

Hermann Enters

Klaus Goebel
Hermann Enters, der Arbeiter, der Sozialgeschichte schrieb
Einführung in die Erinnerungen von Hermann Enters
(zur 5. Auflage, Wuppertal 2002)

Von Hermann Enters liegen weitere, ungedruckte Erinnerungen vor, die er schrieb, als er das erste Manuskript nach Deutschland geschickt hatte.

Hermann Enters wurde am 2. August 1846 morgens 7.30 Uhr in Unterbarmen, Haus 1161, Sektion A der Stadt Barmen geboren. Nach der 1861 erfolgten Einführung von Straßenbezeichnungen wurde daraus das Haus Wiesenstr. 8 (heute Wittensteinstraße). Hauseigentümer war Georg Pfarr, dem auch die Häuser Wiesenstr. 10 und 14 gehörten.
Der Vater Carl Wilhelm Hermann Enters (1824-1898) stammte aus Barmen. Dessen Eltern, der Färberknecht Diedrich Georg Enters (damals Enter geschrieben, geb. 1796 Wengern an der Ruhr), und Johanna Maria Bonsiep (1798-1839) vom Loh in Unterbarmen, hatten 1822 in Barmen geheiratet. Hermanns Mutter war Wilhelmine geb. Mengel (1827-1918). Deren Eltern waren der Fabrikarbeiter und spätere Fettwaren- und Taubenhändler Johann Mengel („Duwenmengel“) und seine Frau Johanna Maria geb. Halbach in Barmen.
Hermanns Eltern waren am 28.Mai 1846, 4 Uhr nachmittags in der vereinigt-evangelischen Gemeinde Unterbarmen getraut und um 5 Uhr in das Heiratsregister der Stadt Barmen eingetragen worden. Neun Wochen später kam Hermann auf die Welt. In den nächsten 23 Jahren wurden dem Ehepaar weitere acht Kinder geboren:

2. Emma (1.10.1848-18.4.1939)
Sekt. A, Haus Nr. 1150, Auer Str. 16, heute Heinkelstr. 10

3. August (geb. 2.2.1851)
Sektion A (ohne nähere Angaben)

4. Bertha (geb. 1.6.1855)
Sekt. A, Nr. 1241, Bezirk Springen 6 (Eigentümer: Ferdinand Cleff)
5. Wilhelm (geb. 29.11.1857)
Sekt. A, Nr.1200, Bezirk Aue 15, Böckmannsbusch

6. Otto (20.4.1860-1929)
Sekt. A, Nr.1200, Bezirk Aue 15, Böckmannsbusch

7. Hugo (21.4.1863-1935)
Böckmannsbusch 15

8. Ida (10.1.1866-1957)
Haspeler Schulstr. 2a

9. Ernst (geb 9.10.1869)
Bendahler Str. 2

Innerhalb Unterbarmens zog die Familie mehrfach um. Die Wohnungen waren für den schwindsüchtigen Geldbeutel entweder zu teuer, für die Arbeit am Webstuhl zu dunkel oder für die wachsende Familie zu klein. Umzugstermin war gewöhnlich der 1. Mai, von dem es im Wuppertal hieß: Der Mai ist gekommen, die Leute ziehen aus, da fliegen die Brocken zum Fenster hinaus. Der heranwachsende Hermann lernte durch den Wohnungswechsel die Gegend zwischen Kothen, Aue, Haspel und Bendahl daher „wie seine Westentasche“ kennen, ebenso die Kluse auf benachbartem Elberfelder Boden.

Elendes Leben

Vater Enters war 22 Jahre alt, als sein Ältester geboren wurde. Er webte am eigenen Webstuhl Band im Lohn für Verleger. Von ihren Aufträgen, dem von ihnen gelieferten Rohmaterial und ihren Zahlungen war er abhängig. Als Eigentümer eines einzigen Webstuhls lebte ein Bandwirker und Weber gewöhnlich an der unteren Grenze des Existenzminimums. Denn er verdiente „nicht mehr als ein Fabrikarbeiter. Dazu ist die Gefahr der Arbeitslosigkeit relativ viel größer als beim Fabrikarbeiter, und jede ungünstige Konjunktur trifft zunächst ihn“, schrieb Johann Victor Bredt über diese Heimarbeiter.
Die Abhängigkeit von wirtschaftlichen Konjunkturen, Wirtschafts- und Zollpolitik, Kriegen und politischen Krisen, Naturkatastrophen und wechselnden Moden hat das Textilgewerbe immer nachhaltig bestimmt. Am Beispiel der Familie Enters wird das Auf und Ab in der Auftragslage, das auch den Verleger und Fabrikanten nicht verschont, augenfällig. Hatte Enters wenig zu tun, war Schmalhans Küchenmeister. Mann und Frau verfolgten daher eifrig die öffentlichen Bekanntmachungen über den Brotpreis. Wenn das Geld besonders knapp war, suchte die Mutter, die beim Spulen ohnehin mitarbeitete, Nebenbeschäftigungen außerhalb des Hauses. Die kleineren Kinder blieben dann der Aufsicht des Vaters und ihrer größeren Geschwister überlassen. Der Vater griff mit Ungeschick und brutaler Härte in die Erziehung ein. Dem Sohn schien er manchmal verstockt. Der häuslichen Wirklichkeit, die den Alten bedrohte und die sich nicht ändern ließ, suchte er sich durch die Jagd auf Singvögel zu entziehen. Jürgen Reulecke erscheint er als die „eigentlich tragische Figur“. Er habe darum gekämpft, den alten Lebensstil aufrechtzuerhalten. Seine „Ausbruchversuche“, wozu der Vogelfang zählte, seien Ausdruck eines verzweifelten Bemühens gewesen, sich auch unter geänderten Verhältnissen selbst zu bestimmen. Damit repräsentierte er die Epoche des Umbruchs von der Vor- zur Frühindustrialisierung.
Mit Kindern, Kochen, Waschen, Nähen, Putzen, mit ihrer Handlangerarbeit für den Bandstuhl, mit dem Antreiben des Mannes und gelegentlichen Arbeiten, um hinzuzuverdienen, war die tapfere Mutter gewiß überfordert. Doch sie hielt in diesem Pflichtenkreis die Familie zusammen. Wie der Vater, so wußte auch sie sich im Umgang mit den Kindern meist nur durch Schimpfen und nicht selten durch kräftige Schläge zu helfen. Wenn es zu bestimmten Zeiten an Bargeld fehlte, um Brot und Kartoffeln für die nächsten Mahlzeiten zu beschaffen, konnte sie hoffen, daß das eine oder andere der Kinder bei den in der Nähe wohnenden Großeltern oder, allerdings seltener, bei Onkel und Tante satt würde.
Die Arbeitsbedingungen im frühindustrialisierten Gewerbe von Barmen und Elberfeld sind mehrfach zum Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht worden. Erschütternde Schattenseiten werden sichtbar: niedrige und ungerechte Löhne, gesundheitsschädigende Arbeit und Arbeitsplatzverhältnisse mit Krankheits- und Invaliditätsfolgen, Arbeitszeiten vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, Sonntagsarbeit, Massenentlassungen bei schwächer werdender Konjunktur bis hin zu zeitweiliger und dauernder Arbeitslosigkeit, Frauenarbeit trotz familiärer Beanspruchung dieser Frauen, erschreckende Kinderarbeit und unregelmäßige Schulbesuche, beengte Wohnungen bei oft unglaublichen hygienischen Verhältnissen, familienzerrüttender Alkoholismus der Männer, mangelhafte Nahrungsmittelversorgung, begleitet von Unterernährung, Mangelkrankheiten, erhöhter Krankheitsanfälligkeit, schlechter ärztlicher Versorgung und vorzeitigem Sterben.
1842 berichtete die Handelskammer Elberfeld-Barmen dem preußischen Finanzministerium in Berlin auf Anfrage, für 16 000 Bandwirker ergebe sich ein Gesamtwochenlohn von 25 000 Talern. Der niedrige Satz pro Arbeiter wurde damit erklärt, „dass durch Spulen und Kettenscheren so viele Kinder und alte Leute“ beschäftigt würden. Der von Moses Heß herausgegebene „Gesellschaftsspiegel“ nannte für 1844 und 1845 einen Wochenverdienst von zwei Talern pro Bandstuhl. Die Depressionserscheinungen in der Wuppertaler Wirtschaft steuerten in den Jahren 1845 bis 1848 einem Höhepunkt entgegen. Infolge Winterkälte, Frühjahrsüberschwemmungen und Missernten erfolgten Preissteigerungen. Die Kaufkraft sank rapide. Der Textilgüterverbrauch ging erheblich zurück. Die Barmer Industrie stand vor ihrem Zusammenbruch. Die durch den Zollverein verfügte Erhöhung der Importzölle auf Rohmaterial anstatt auf Fertigwaren lief darum den Wuppertaler Interessen zuwider. Innenminister von Bodelschwingh empfahl den Wortführern Wuppertaler Protestes damals, die Preiserhöhung durch Lohneinsparungen auszugleichen.

Antworten auf die Soziale Frage

Wenn auch die schlimmsten Notzeiten nicht anhielten, so war eine generelle Verbesserung der elenden Zustände in den Arbeiterfamilien nicht abzusehen. Durch Maßnahmen freiwilliger christlicher Barmherzigkeit, wie sie etwa von Johann Caspar Engels und später von seinem Sohn Friedrich Engels sen. ausgingen, ließen sich zwar Wunden verbinden, aber keine Heilungsprozesse für den ganzen Körper einleiten. Die Zahl gebefreudiger Besitzbürger mit patriarchalischem Verantwortungsbewusstsein und dem Einkommen einsamer Steuerzahler in der ersten Klasse nach dem Dreiklassenwahlrecht stand in Elberfeld und Barmen in keinem Verhältnis zur wirklichen Not wachsender Massen armer Leute und ihrer Bedürftigkeit. Mit entscheidend war, dass die Besitzer von Vermögen und Ämtern nicht zugeben wollten oder konnten, dass die Besserung der Zustände einen grundlegenden Wandel der bestehenden Ordnung erfordere.
Zu den frühesten, heftigsten und in ihrer Polemik nicht selten übers Ziel hinausschießenden Kritikern zählte ein Sohn und Enkel der genannten Engels: Friedrich jun., der als 18jähriger kaufmännischer Lehrling mit seinen unter Pseudonym publizierten „Briefen aus dem Wupperthal“ gleichsam eine Bombe zur Explosion brachte. Auch andere zeitkritische Schriften wären ohne Kenntnis der Wuppertaler Verhältnisse kaum denkbar gewesen, so von Autoren wie Harkort und Diesterweg. In welcher Weise sich die evangelischen Gemeinden den Problemen stellen, haben Friedrich Wilhelm Krummacher (1935) und Herwart Vorländer klargemacht. Einerseits war die sarkastische Bemerkung zu hören, Elberfeld-Barmen habe über einer eifrig betriebenen Heidenmission das Nächstliegende vernachlässigt, das Elend unter der eigenen Bevölkerung nämlich zu beseitigen. Andererseits trat einer der Direktoren (damals Inspektoren) der gleichen Rheinischen Missionsgesellschaft, der bedeutende Friedrich Fabri, mit einer einfallsreichen Denkschrift zur Lösung der Wohnungsfrage hervor.
Als Kritiker beinahe unbekannt geblieben ist der Wupperfelder Hauptlehrer Friedrich Wilhelm Dörpfeld, der sich als Pädagoge einen Namen machte. 1867 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Dr. German die Schrift „Die soziale Frage“. Sie endet mit dem Satz: ’Genossenschaftlichkeit, soziale Brüderlichkeit – das ist, soweit uns zu sehen gegeben, das Ende der Wege Gottes in der sozialen Frage. Wann werden wir dahin gelangen?’. Viele Jahre später erhielt Dörpfeld ein Exemplar seiner Schrift aus der Schweiz mitgebracht, ohne daß dem Überbringer die Verfasserschaft des Empfängers bekannt gewesen wäre.
Dörpfeld knüpfte in einem wohl 1886 verfassten Brief daran an: „Im Jahre 1866 schrieb ein rheinischer Schulmann eine Schrift über die soziale Frage. Weder die Fortschrittspartei noch die Konservativen bekümmerten sich um die Lage des unselbständigen Arbeiterstandes, sondern bemühten sich bloß, ihn als Stimmvieh für ihre Parteizwecke zu erwerben. Die einen mit liberalen Phrasen, die anderen mit christlichen […] Da trat Lassalle auf und erschien auch im Wupperthale. Nun litt es mich nicht länger; ich sah deutlich, was kommen würde. Mein Gewissen wollte entlastet werden, und so kam die oben genannte Schrift zustande. Sie erschien pseudonym, denn ihre positiven Vorschläge waren den Liberalen ein Ärgernis und den Konservativen eine Torheit“. Das bei Dörpfeld durchscheinende Konzept Johann Hinrich Wicherns und der Inneren Mission, die Stände auf der Grundlage der bestehenden Ordnung zu solidarisieren, gehörte bewußt oder unbewußt zur weit verbreiteten Auffassung evangelischer Kreise des Tals, die nach einer Antwort auf die drängenden Probleme suchten. Doch ein sozialer Protestantismus im Sinne von Wichern oder von Theodor Fliedner löste die soziale Frage ebenso wenig wie die katholische Reformbewegung, für die Wilhelm Emanuel von Ketteler stand. Zu stark widerstrebten diesen Konzepten politischer und sozialer Veränderung die tonangebenden Mächte in Staat und Gesellschaft. Wenn der fortschrittliche Elberfelder Unternehmer Abraham Frowein (1847-1893) Gottlosigkeit als tiefste Ursache für die Krise verantwortlich machte, mußte dieser Vorwurf alle gesellschaftlichen Kräfte gleichermaßen treffen, unausgesprochen auch die Angehörigen seiner eigenen Schicht, diejenigen also, die sich als Christen den auf der Schattenseite des Lebens stehenden Menschen verweigerten.
Trotz allen Elends hören wir in der Familie Enters nichts von der Anleitung zum Stehlen oder zum Betrügen. Auch das Betteln auf der Straße ist kein Thema. Die Zehn Gebote, seit der Kinderlehre – dem Konfirmandenunterricht – allen vertraut, blieben in Geltung. Vom Gebet ist im Brief von Enters die Rede und davon, dass man den Sonntagsgottesdienst in der Hauptkirche besucht hätte, hätte man nur sonntägliche Kleidung anzuziehen gehabt.
Es dürfte aber auch nicht selten am Sonntag gearbeitet worden sein, um die Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Die Kinder mussten am Bandstuhl mithelfen. Die Erinnerung von Hermann Enters, schon mit vier Jahren auf das Spulrad gesetzt zu werden oder auf ein Baby aufzupassen, ist eine der seltenen Dokumentationen von Kinderarbeit schon im Vorschulalter. Auch als Schulkind musste er, sobald er aus der Schule zurück war, „jede freie Minute auf dem Spulrad sitzen“. Dass es unendlich vielen Kindern ähnlich erging, vermögen wir nur zu ahnen, ohne es genau zu wissen. Die gesetzliche Regelung der Kinderarbeit, wie sie durch die beiden Regulative von 1839 und 1853 in Preußen erfolgt war, konnte nur die Fabriken betreffen. Gewerbliche Heimarbeit und Landwirtschaft ließen sich nicht in gleichem Maße kontrollieren.

Anfänge des Sozialismus

Dass sich Fabrik- und Heimatarbeiter, die wie Enters und seinesgleichen auf der Schattenseite des Lebens standen, in den 1860er Jahren zu den Ideen und Parolen der neu entstehenden sozialistischen Bewegung hinzogen fühlten, konnte darum nicht verwundern.
Die Agitation, die Moses Heß und Friedrich Engels 1845 in Elberfeld entfacht hatten, blieb blass und ohne Sprengkraft. Diese Art Sozialismus war „eine Angelegenheit von Intellektuellen“ geblieben, bei der „die Betroffenen“ – die Arbeiter nämlich – „so gut wie nicht aktiv geworden“ waren. Der preußische Kultusminister Eichhorn glaubte anläßlich dieser Elberfelder Versammlungen im Februar 1845 sagen zu können, der in der so genannten wissenschaftlichen Kritik begründete Hochmut gewisser Literaten nehme ihnen in der Regel die Fähigkeit, auf die ungebildete Masse einzuwirken. Wilhelm Treue erklärte sogar, dass das Kommunistische Manifest „vom Arbeiter jener Zeit weder gelesen noch in seiner schwierigen Sprache ohne Interpretation verstanden werden konnte und auch nicht die viel engeren Forderungen der Notleidenden und Unzufriedenen ausdrückte“. Der konservative Politiker August von der Heydt, preußischer Handels- und Finanzminister und ein intimer Kenner der Wuppertaler Verhältnisse, führte 1865 vor dem Haus der Abgeordneten in Berlin aus: „Es wird nun hingewiesen auf das Drängen des Arbeiterstandes auf Erlangen des unbeschränkten Koalitionsrechtes, ein Drängen, eine Aufregung, deren Existenz ich anerkennen muss. Aber ist denn dieses Drängen aus dem Arbeiterstand selbst hervorgegangen? Theoretiker von verschiedenem Lebensberuf, von denen aber keiner dem Arbeiterstande angehört, haben diese Aufregung erst hervorgerufen“.
Doch diese Theorien sollten bald in praktische Politik umsetzen. Denn als einer dieser „Theoretiker“, der bei Dörpfeld zitierte Ferdinand Lassalle, im Tal auftrat, war von einem „neuen Christus“ (Enters) die Rede; sein Nachfolger als Parteivorsitzender, Jean Baptist von Schweitzer, galt als „Abgott der Wuppertaler Arbeiter“. Es bleibt bemerkenswert, was Enters zu dem Versuch des im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein organisierten Vaters sagt, ihn, den damals 18jährigen, zur Teilnahme an Parteiversammlungen zu bewegen: „Ich hatte bis dahin noch nichts anderes gehört als Gott und den König und die Regierung preisen und loben, dass das Richtige und Beste für die Menschen wäre. Ich fand aber heraus, dass die Sozialisten daran rütteln wollten, und das war mir zuwider.“
Lassalles Auftreten in Ronsdorf war ein denkwürdiges Ereignis der politischen Geschichte der Wupperstädte und der deutschen Arbeiterbewegung. Der Arbeiterführer sprach anlässlich des ersten Stiftungsfestes, das der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein in Ronsdorf, einem Zentrum der neuen Partei, am 22. Mai 1864 abhielt. Die größten Ortsverbände besaßen in diesem Jahr Barmen mit 529 und Ronsdorf mit 523 Mitgliedern, während die Gesamtzahl der Mitglieder in Deutschland 4600 betrug. Die Rede, deren Gedanken Lassalle auf seiner Veranstaltungsreise im Mai jenen Jahres auch anderswo zum Ausdruck brachte, wurde bald als „Ronsdorfer Rede“ bekannt. Seine „demagogische Redeleistung“ bestand darin, das geringe politische Ergebnis der bisherigen Bemühungen durch außerordentliche Worte auszugleichen. Nur wenige Monate später, am 31. August, starb er bei einem Duell.
Lassalles Arbeiterverein gewann im Reichstagswahlkreis Elberfeld-Barmen zusehends an Boden, als nach Einführung entsprechender Wahlbestimmungen für den Norddeutschen und anschließend für den Deutschen Reichstag auch Arbeiter wählen und kandidieren konnten. Im September 1867 setzte sich bei den Wahlen zum Norddeutschen Reichstag in einer Stichwahl Lassalles Nachfolger Jean Baptist von Schweitzer durch. Auch nach Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Bebels und Liebknechts (1869) konnten die Lassalleaner ihren Einfluss im Tal erhalten. Nachdem beide Parteien 1875 vereinigt worden waren, setzte sich dieser politische Kurs im Wuppertal fort, weil sich hier parteipolitisch wie gewerkschaftlich eine eher gemäßigte Richtung in der Tradition Lassalles durchsetzte.

Auswanderung nach Nordamerika


Hermann und Auguste Enters geb. Leckebusch wurden am 31. März 1870 in Barmen getraut. Auguste, geb. am 7.2.1848 in Barmen als Tochter der seit 1939 in Barmen verheirateten Eheleute Peter Caspar Leckebusch, Färber (Herzkamp nördlich von Barmen 1809 – Barmen 1874), und Friederika geb. Limberg (Hardenberg nördlich von Elberfeld 1817 – Barmen 1900). 1882 wanderten Hermann und Auguste in die Vereinigten Staaten von Amerika aus. In Milwaukee fanden sie mit ihren in Barmen geborenen sechs Kindern, zu denen in Nordamerika vier Kinder hinzutraten, eine neue Heimat.
Enters gehörte mit seiner Familie damit zur „letzten großen Auswanderungswelle“ in Deutschland, die zwischen 1880 und 1893 die Vereinigten Staaten zum Ziel hatte. Insgesamt waren im Zeitraum 1820-1930 rund 5,9 Millionen Deutsche in die USA eingewandert. Bei dieser letzten Welle hatte sich der Anteil aus dem städtisch-industriellen Bereich deutlich erhöht. Die Enters zählen dazu. Die Vorgeschichte der Familie in Barmen und der weitere Weg lassen sie als anschauliches Beispiel für das Schicksal von Millionen ihrer Landsleute schildern. Keine Abenteuerlust hatte die Auswanderer aus den Städten und vom Land fortgetrieben, schrieb Wilhelm Raabe in seinem ersten Roman. „Not, Elend und Druck sind´s, welche jetzt das Volk geißeln, dass es mit blutendem Herzen die Heimat verläßt“.
Hermann Enters starb am 25. Juli 1940 in Milwaukee, wenige Tage vor Vollendung seines 94. Lebensjahres. Seine Frau Auguste war ihm im Herbst 1924 im Tode vorausgegangen. Sie stand im 77. Lebensjahr. Als Hermann starb, lebten noch acht Kinder, denen sich zu seinen Lebzeiten 32 Enkel und 32 Urenkel zugesellt hatten.
Er hatte sein Schreiben im Alter von 76 Jahren an die in Deutschland lebenden Geschwister gerichtet, um „Vorurteile“ aus der Welt zu schaffen, wie er eingangs bemerkt. Der Brief wurde am 6. April 1922 in Milwaukee von dem Sohn Paul Enters zur Post gegeben und traf am 22. April bei Enters‘ Schwester Emma Röth geb. Enters in Barmen ein. Später ging er in den Besitz von Marie Ströker geb. Kottmann in Haßlinghausen über. Deren Mutter Lisette Kottmann geb. Leckebusch war eine Schwester von Enters Ehefrau Auguste.

Wie der Brief in Wuppertal wiederentdeckt und veröffentlicht wurde

Anfang 1969 erschien auf der Wuppertaler Lokalseite des evangelischen Sonntagsblattes „Der Weg“ eine kurze Würdigung des erwähnten Dr. Abraham Frowein anlässlich der 75. Wiederkehr seines Todestages. Frowein, Fabrikant und freikonservativer Politiker, hatte sich als Kirchmeister große Verdienste um die evangelisch-reformierte Gemeinde Elberfeld, besonders um die Errichtung der Friedhofskirche, erworben. Die Leserin Herta Denzel sah sich nach der Lektüre des genannten Artikels veranlasst, in einem Brief an die Redaktion das „Versagen vieler Christen angesichts der entsetzlichen Folgen der Industrialisierung, die in Wuppertal am schlimmsten waren“, hervorzuheben. Ihr Brief schloss: „Meines Erachtens gehört schon allerlei Hartherzigkeit dazu, in der damaligen Notzeit noch Geld für eine Kirche auszugeben. Hätte man dieses Geld für die Not der Menschen verwandt, wären vielleicht heute die Kirchen nicht so leer. Ihr Artikel sieht so freundlich aus und wird leider wohl auch von Menschen so angesehen, die den wahren, schrecklichen Hintergrund nicht kennen. Aber die Wahrheit ist in Ihrem Bericht nicht enthalten. Verzeihen Sie mir bitte meine Offenheit“. In diesem Zusammenhang wies Frau Denzel auf ein Briefmanuskript hin, das als Gegenstück zu dem erwähnten Zeitungsartikel anzusehen sei. In der Wuppertaler Gruppe des aus der Wandervogelbewegung hervorgegangenen Freideutschen Kreises war aus dieser Handschrift bereits mehrfach vorgelesen worden.
Wir sprachen Frau Ströker damals an, und sie stellte uns den Brief zur Verfügung. Schon die erste Durchsicht ließ ein einmaliges Dokument erkennen. Es erschien darum als Pflicht, diese seltenen Erinnerungen aus Arbeiterhand der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Ehepaar Marie und Albrecht Ströker erlaubte gern eine Veröffentlichung.
In einem Arbeitskreis für stadtgeschichtliche Forschung, der eine Reihe von Jahren auf Anregung von Berufsschuldirektor Georg Gustav Löns im damaligen Verein für Kunst und Gewerbe, Wupperfeld, zusammenkam, wurde die Drucklegung vorbereitet. Günther Voigt stellte eine Abschrift her. Er berücksichtigte für die Veröffentlichung folgende Veränderungen des Manuskriptes:
1. Satzstellung, Rechtschreibung und Zeichensetzung werden den heutigen
Regeln angepasst.
2. Durch Absätze werden Sinnzusammenhänge hergestellt.
3. Zwischenüberschriften werden eingefügt, um die Übersicht über den
Inhalt zu erleichtern.
4. Auffällig oft sich wiederholende Wörter, Ausdrücke und Begebenheiten
innerhalb eines Satzes oder in aufeinanderfolgenden Sätzen fallen weg.

Die 1. Auflage erschien 1970. Dem Arbeitskreis erschien das Zusammentreffen mit der 150. Wiederkehr des Geburtstages von Friedrich Engels nicht zufällig. Hatte doch hier ein Arbeiter die proletarischen Lebensverhältnisse Barmens geschildert, die der in Enters‘ Nachbarschaft eine Generation früher aufgewachsene Engels gekannt und in den „Briefen aus dem Wupperthal“ angedeutet hatte. Die 2. Auflage der Enters-Erinnerungen folgte schon 1971. Als Ende der siebziger Jahre diese Auflage vergriffen war, regten der Herausgeber der „Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde des Wuppertals“, Dr. Michael Metschies, sowie Stadtarchivdirektor Dr. Hartmut Sander an, die genannten Festlegungen des Arbeitskreises zu überprüfen und anhand der Handschrift gegebenenfalls zu korrigieren sowie Druckfehler zu beseitigen. Für die neue Auflage vereinbarten Herausgeber und Mitarbeiter folgende Richtlinien:
1. Der Satzbau des Originals wird wiederhergestellt, soweit er für die erste
und zweite Auflage verändert worden war.
2. Die Auflösung von Abkürzungen (beispielweise „u.“ für „und“) bleibt
erhalten.
3. Die Einteilung in Abschnitte und die Hinzufügung übergreifender
Zwischentitel bleibt erhalten.
4. Abweichungen von der heutigen Grammatik werden mit Ausnahme des
falschen Gebrauchs von Fällen (mir – mich; die – der usw.) in der
Originalschreibweise wiedergegeben.
5. Mundartliche Ausdrücke werden vereinheitlicht nach: Julius Leithaeuser,
Barmer Wörterbuch, Elberfeld 1929.
6. Zusätze des Herausgebers werden in eckige Klammern gesetzt.

Der Brief befand sich zum Zeitpunkt der Vorbereitungen für die 3.Auflage im Besitz von Anna Palmer, der 1882 in Milwaukee geborenen Tochter von Hermann Enters und seinem letzten noch lebenden Kind. Marie Ströker hatte Beziehungen zur Familie Enters in den USA, vor allem zu Anna Palmer geb. Enters aufrecht erhalten, so dass der Brief nach seiner Veröffentlichung 1970 zusammen mit dem daraus entstandenen Buch dorthin zurückgekehrt war. Als Frau Palmer ihren Hausstand auflöste und in ein Altersheim zog – sie starb dort 99jährig im Jahre 1981 – übergab sie das Manuskript der Nichte Erna Eells, Tochter ihrer Schwester Auguste. Für die nach den neuen Richtlinien überarbeitete 3. Auflage 1979 wurde eine gut lesbare Kopie herangezogen. Eine unveränderte 4. Auflage folgte 1985. Sie war 1998 vergriffen. Christel Kottmann (Sutton Coldfields, West Midlands, England), eine Verwandte von Hermanns Frau Auguste, hatte inzwischen den größten Teil des gedruckten Textes ins Englische übersetzt. Ihre Übersetzung wurde unter den Verwandten in Amerika, die nicht Deutsch sprachen, verbreitet.

Neue Lebenserinnerungen von Hermann Enters

Im Besitz der Nachkommen von Hermann Enters‘ Tochter Meta Doyle tauchte später ein weiteres Manuskript in deutscher Handschrift aus der Feder des Barmer Auswanderers auf. Es wurde dem Verfasser dieser Zeilen 1996 bekannt. Enters hatte später, offenbar nach dem Tode seiner Frau, Freude an einer ausführlicheren Niederschrift seiner Lebensgeschichte gefunden. Sie erlaubte ihm ebenso wie im Brief von 1922, sich mit mancherlei Begebenheiten, besonders mit erlittenem Unrecht auseinanderzusetzen, um es sich gleichermaßen „von der Seele“ zu schreiben. Er wiederholt und variiert viele der im Brief festgehaltenen Erinnerungen, geht auf manches ausführlicher ein, stellt einiges um oder lässt es aus. Breiteren Raum als im Brief widmet er seiner Rekrutenzeit, den Kriegserfahrungen in Frankreich 1870/71 und Erlebnissen aus den ersten Jahren in der neuen Heimat USA. Die Niederschrift bricht nach 161 Seiten unvermittelt ab.
Größere Teile übersetzte Christel Kottmann 1980/81 ins Englische. Der Urenkel William E. Enters (Verona, Wisconsin) machte sie, editorisch unterstützt von Jon Doyle, ebenfalls Urenkel, mit einem Kommentar über Entstehungsgeschichte und Inhalt der Familie zugänglich. Den Einführungsbeitrag „More on Hermann Enters“ schrieb die Enkelin Cloe Doyle. In Wuppertal wurden die neuen Erinnerungen 2001 vorgestellt.

Die Aufzeichnungen als historisches Dokument und Geschichtsquelle

Der nachstehend im Druck wiedergegebene Brief gehört wie das neu aufgefundene Manuskript zu den seltenen Dokumenten dieser Art, die uns aus Arbeiterhand überliefert sind. Beide Niederschriften stammen nicht von einem im Umgang mit dem geschriebenen Wort erfahrenen Autor, einem wortgewandten, akademisch gebildeten Kritiker und Analytiker seiner Zeit, sondern von einem jener „Eigentumslosen“ selbst, die an Feder und Tinte kaum gewöhnt und in kritischer Selbstreflexion nicht geübt waren. Doch Hermann Enters hatte nachzudenken und sich auszudrücken gelernt, je älter er wurde. Die Lebensumstände änderten sich, und er gewann neue Vergleichsmöglichkeiten.
Ohne Ehrgeiz, seine Aufzeichnungen über den Kreis der Verwandten verbreitet und im Druck veröffentlicht zu sehen, fasste ein altgewordener Amerikaauswanderer seine Jugendgeschichte in einem Brief und anschließend in einem längeren Manuskript zusammen. Ein Mensch einfacher Schulbildung, dessen Arbeit auf billigste Existenzsicherung zielte, dessen Familie unter die „Brunen“ eingereiht wurde, dessen Leben vergangen schien, ehe es erblühte, und bald vergessen werden sollte, setzte damit seiner Volksschicht ein eindrucksvolles Denk-Mal. Hier kommt beispielhaft eine Stimme aus der unendlich großen Menge zu Wort, deren Leben nur selten so authentisch überliefert worden ist. Enters wird zum Sprecher der ungenannten und unbekannten Angehörigen aus den unteren Volksschichten.
Die sozialgeschichtliche Forschung bedarf der Biographie, namentlich der als Quelle unschätzbaren Autobiographie. Werner Conze hat darauf hingewiesen, dass die methodische Auswertung biographischen Materials die Konkretisierung und die Individualisierung des Typischen erlaube. „In jeder Biographie nicht nur der ‘Großen’ in der Geschichte, sondern gerade der kleinen, ‘unbekannten’ Menschen, wird Sozialgeschichte beispielhaft individuell oder gruppentypisch sichtbar“. Vereinzelt hatte es schon im 18. Jahrhundert Erinnerungen mit Erkenntniswert für die sozialen Verhältnisse gegeben. So spielt Johann Heinrich Jung-Stillings Lebensgeschichte, die zu den wichtigsten Selbstbiographien dieser Zeit überhaupt zählt, teilweise im Tal der Wupper und im Bergischen Land, also in Hermann Enters‘ Heimat.
Mit der beginnenden Industrialisierung treten Arbeiterleben, Soziale Frage und sozialistische Bewegung stärker in den Vordergrund. Gegenüber den verhältnismäßig zahlreichen Lebenserinnerungen von Politikern, Unternehmern und Akademikern bleiben autobiographische Zeugnisse „kleiner Leute“ im 19. Jahrhundert schmal an Zahl und gering an Umfang. Die meisten dieser Niederschriften wurden zudem von engagierten und an diesem Material interessierten Persönlichkeiten wie dem Pastor und Sozialdemokraten Paul Göhre und dem liberalen Politiker Friedrich Naumann, ebenfalls evangelischer Pfarrer, um die Wende zum 20. Jahrhundert angeregt und herausgebracht.
Auf die Schwierigkeiten beim Verstehen solcher Erinnerungen hat Wolfram Fischer aufmerksam gemacht. Manche ihrer Aussagen erschienen „von den oberen Ständen vorgeprägt“, andere überzeichneten eine „bestimmte Perspektive“. Eine eingehende Interpretation der vorliegenden Aufzeichnungen ist an dieser Stelle nicht möglich und auch nicht beabsichtigt. Sie bleibt einem kritischen Leser überlassen, der gewillt ist, sich „auf festem wissenschaftlichem Fundament“ weniger mit „Heimatkunde im alten Sinne“ als mit „Sozial- und Strukturgeschichte“ zu beschäftigen. In dieser Hinsicht ist der Brief für einen quellenbezogenen Geschichtsunterricht hervorragend geeignet. Er erweist auch seinen Wert für das Geschichtsstudium, verhilft nachdenklichen Zeitgenossen zu historischer Erkenntnis und vermittelt dem Geschichtsschreiber konkrete Einzelheiten des Lebensalltags.
Bei den Lesern aber weckt er Verständnis und Mitgefühl für die „Lage der arbeitenden Klasse“ in einer Zeit, in der für unendlich viele Menschen ebenso wenig von sozialen Errungenschaften wie von demokratischer Mitbestimmung, gerechtem Arbeitsentgelt, erträglichen Arbeitsumständen und menschenwürdigen Lebensbedingungen die Rede sein konnte.
Die Stadt Wuppertal hat 1990 einer kleinen Straße im Wohnbezirk von Hermann Enters seinen Namen gegeben. Der Vorschlag kam unter dem Eindruck der vorliegenden Lebenserinnerungen aus der Bezirksvertretung Barmen, wo sie aufmerksam gelesen worden waren. Dies lässt sich als willkommenes Zeichen einer Achtung und Anerkennung werten, die der ehemalige Unterbarmer und spätere Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika als Sprecher seiner Schicksalsgenossen in der Heimatstadt erworben hat.

Hermann Wahl

(uf). Im Jahre 1864 ist Hermann Wahl, Sohn von Saul und Amalie Wahl, in die Geschäftsleitung des Barmer Textilhauses „S. & R. Wahl“ an der Werther Straße 2 eingetreten und trat nach dem Tode seines Vater 1867 in diesen Fußstapfen. Er galt nicht nur als solider Kaufmann, sondern auch als weltoffener Mensch und Kunstmäzen, war Verfasser von „lokalen Lustspielen und Schwänken“. Die private Lebensführung war bescheiden. Wahl muss ungewöhnlich zielstrebig gewesen sein, denn er hielt nicht nur das kaufmännische Streben im Auge und wollte Gewinne erzielen. Auch das Betriebsklima lag ihm am Herzen. Immerhin zählte das Personal um die Wende zum 20. Jahrhundert etwa 200 Angestellte und Arbeiter. Hermann Wahl hat deutlich gemacht, dass er sich als deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens empfand. Deshalb war es für ihn selbstverständlich, Vorbild zu sein und ehrenamtlich in Berufsorganisationen, etwa dem Detaillistenverband (vergleichbar dem heutigen Einzelhandelsverband) tätig zu sein. Schon 1893 wurde der Mitglied der Barmer Handelskammer und blieb es bis zu seinem Tod. Dass er mit Adolf Vorwerk, Albert Molineus und anderen zu den Förderern des Projektes Barmer Bergbahn gehörte, zeigt seine weltoffene und dem Fortschritt zugewandte Haltung.
Anlässlich seines 70. Geburtstages 1910 wurde Hermann Wahl zum Königlich-Preußischen Kommerzienrat ernannt. Die Angestellten und Arbeiter des Textilhauses hatten sich ein besonderes Geburtstagsgeschenk für ihre Chef ausgedacht. Sie ließen im (Jugend-) Stil der Zeit eine kalligrafisch außergewöhnlich schön gestaltete Gruß- und Wunschadresse schreiben und in Leder einbinden. Der Text drückt die Verehrung für den Jubilar aus und bestätigt das für damalige Verhältnisse ausgewogene Betriebsklima.
Hermann Wahl gehörte zu den Begründern der Synagogengemeinde Barmen, die ihn am 11. April 1894 zu ihrem ersten Vorsitzenden wählte. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tode im Jahr 1915.
Hermann Wahls Frau Henny gebar ihm sieben Kinder: Anna, Max, Ernst, Else, Adolf, Fritz, Cläre. Ernst führte S. & R. Wahl in der dritten Generation fort. Nach Vater Hermanns Vorbild war auch Sohn Ernst Wahl stark ehrenamtlich tätig.

Lesetipps:

„Die Wahls in Barmen“, ein jüdisches Familienschicksal in Briefen, Ulrich Föhse, in: Klaus Goebel (Hg.): Unter Hakenkreuz und Bombenhagel, Wuppertal 1989.

Foto: Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge

 

Hermann- Josef Brester

(kgc). Der bürgerschaftlich engagierte Hermann-Josef Brester ist seit 1977 Mitglied im Heidter Bürgerverein e. V. und seit 1978 im Beirat. Er übernahm 1988 den Vorsitz, nachdem er schon 1980 bis 1986 als Schriftführer und 1986 bis 1988 als 2. Vorsitzender im Vorstand mitgewirkt hatte. Sein Amtsvorgänger als 1. Vorsitzender war Kurt Wilhelm (+), der An der Bergbahn gewohnt hat.

Das Jahr 2004 war für den Heidter Bürgerverein ein ganz besonderes Jahr. Das wurde auf der Mitgliederversammlung am 24. September 2004 im Lutherheim an der Oberen Sehlhofstraße deutlich. Vorsitzender Hermann-Josef Brester freute sich über den großen Zuspruch, wie überhaupt trotz schwieriger Zeit die Mitgliederentwicklung (ca. 265) positiv war.
+ Der Heidter Bürgerverein ist 100 Jahre alt!
+ Rechtzeitig zum Geburtstag änderte der Verein seinen Namen von Heidter Bezirksverein in Heidter Bürgerverein e. V.!
+ Der Heidter Bürgerverein richtete gemeinsam mit dem Barmer Verschönerungsverein und zahlreichen Organisationen in den Barmer Anlagen ein viel beachtetes, vielfältiges, erfolgreiches und schönes Open-Air-Fest unter dem Titel „Zauberhafte Barmer Anlagen 2004“ aus.

Ämtertausch

Die Vorstandswahl 2004 nutzte Hermann-Josef Brester zum Rücktritt vom Amt des 1. Vorsitzenden. Gesundheitliche Gründe wurden genannt, doch bleibt er dem Heidter Bürgerverein in der Funktion des 1. Schriftführers treu und erhalten. Er tauschte die Funktion mit Hansjörg Finkentey.
In seinem Rückblick erinnerte Hermann-Josef Brester an den 8. Mai 2004, als der Jubiläumstag mit einem Festgottesdienst in der Lutherkirche begann. Pfarrer Dr. Rainer Withöft hielt eine viel beachtete Predigt; sein katholischer Amtsbruder Pfarrer Jürgen Dreher (St. Elisabeth) gab seinen Segen und HBV-Ehrenmitglied und Gemeindekantor Kirchenmusikdirektor Professor Dr. Joachim Dorfmüller (Orgel) sowie Johannes Schroeder (Trompete) sorgten für den musikalischen Rahmen. Zum Jubiläumsempfang überbrachte Bürgermeister Peter Jung („Wir müssen wieder etwas Zuversicht entwickeln und brauchen in dieser Stadt eine Wir-AG!“) im Namen der Stadt Wuppertal dem Heidter Bürgerverein einen völlig unverdächtig mit Schokoladengeld(!) gefüllten Koffer… Den Festvortrag hielt Professor Dr. jur. Wolfgang Baumann, Vorsitzender des Stadtverbandes der Wuppertaler Bürger- und Bezirksvereine. Die „Wuppertaler Originale“ brachten ein musikalisch-unterhaltsames Ständchen.

Dank
Hermann- Josef Brester dankte den aktiven Mitgliedern aus Vorstand, Beirat und Umfeld für ihren unermüdlichen Einsatz am Jubiläumstag, bei den „Zauberhaften Barmer Anlagen“ am 20. Juni 2004 an der Dicke-Ibach-Treppe und im Vorfeld, aber auch bei der Bewirtung zur Jahreshauptversammlung am 24. September 2004. Besonders erwähnte Brester die Leiter der Wanderabteilung, Helmut Grüderich und Allo Schmidt (+), das Ehepaar Spier (Kassiererin Bärbel und ihr Mann Edgar als „Vize“ und „Reisemarshall“ in arbeitsintensiver „Personalunion“), Klaus-Günther Conrads und die ehemalige Bezirksvorsteherin und Stadtverordnete Renate Warnecke. Brester: „Die Arbeit für den Heidter Bezirks- und Bürgerverein war immer eine Herzensangelegenheit und der Einsatz hat sich gelohnt – nicht immer, aber oft genug!“ Um sein Lieblingskind, den Martinszug, kümmerte sich Brester weiter intensiv, so wieder am 13. November 2008 zum 29. Mal. Der Bürgerverein bedankte sich beim früheren 1. Vorsitzenden mit einer Urkunde über die Ehrenmitgliedschaft.

Aus seiner langjährigen Amtszeit nennt Hermann Josef Brester aus seiner persönlichen Sicht folgende „Highlights“:
• Verleihung der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an den Ehrenvorsitzenden des HBV, Bernard Böger (+);
• Schulwegsicherung Berg-Mark-./Ottostraße;
• Stetige Vergrößerung und organisatorische Verbesserung des Martinszuges auf dem Heidt – dank der Hilfe des Kollegiums der Grundschule Berg-Mark-Straße und der Leitung des katholischen Kindergartens St. Antonius in der Ferdinand-Thun-Straße – Lob durch die Polizei…;
• Kette als Kindersicherung am Bürgersteig neben dem Spielplatz Hubert-Pfeiffer-Straße, zusätzlich Piktogramme auf der Fahrbahn, dank der Vermittlung der Bezirksvertretung;
• Tempo-30-Zone auf dem Heidt;
• Verbesserung des Straßenzustandes z. B. auf der Lönsstraße;
• Rettung der ehemaligen Pferdetränke an der Lönsstraße und des Schopenhauer-Gedenksteins an der Josef-Haydn-Straße;
• Erhalt des Schulbetriebs in der Gewerbeschulstraße;
• Ampelsicherung am Überweg der Bushaltestelle „Heidter Berg“;
• Ausbau und Erhalt der Busanbindung des Bezirks;
• Ensemblesanierung der Dicke-Ibach-Treppe und des Geländers bis zur Lönsstraße;
• Erarbeitung des „Rundgangs über den Heidt“ (Bergischer Geschichtsverein);
• 90 Jahr-Feier des Heidter Bürgervereins am Toelleturm und weitere Feste am Toelleturm (bis 1995);
• Barmer Südstadt-Fest auf dem Bremme-Brauhof-Gelände (1998);
• Beibehaltung der traditionellen Adventfeiern für Senioren und Kinder seit mehr als 30 Jahren;
• Traditionelle Tagesfahrten im Herbst und neu hinzugekommene Mehrtagesfahrten und Tagesausflüge für Wanderer, Spaziergänger (und zeitweise auch für Radfahrer);
• Wunschgemäße Straßenbenennung „Edvard-Grieg-Weg“ am Neubaugebiet auf dem Gelände des ehemaligen Wasserwerks Heidt;
• Geplante Verbesserung der sicheren Überquerung des Heidter Bergs für Schulkinder.
• Mitarbeit im Vorstand des Stadtverbandes der Wuppertaler Bürger- und Bezirksvereine.
• Mitherausgabe der Bücher „Wuppertal und seine Bezirksvereine“ und „Barmer Südstadt“.
• Herausgabe des „Heidter Blättchen“ im Jubiläumsjahr.
• Der 8. Mai 2004 (100 Jahre Heidter Bürger- und Bezirksverein) und der 20. Juni .2004 („Zauberhafte Barmer Anlagen“), aber auch der eindrucksvolle Verlauf der Jahreshauptversammlung am 24. September 2004.
• Langjährige Mitarbeit als Beisitzer im Vorstand des Stadtverbandes der Bürger- und Bezirksvereine
Negative Ereignisse sind für ihn:
• Voreilige und „suboptimal“ durchdachte Bebauung des ehemaligen Wasserwerks Heidt (Grillparzerweg, Weberstraße);
• Zu geringe Erlöse beim Südstadtfest, u. a. durch zu hohe Gebühren und teure Auflagen;
• Beschmierung der frisch restaurierten Dicke-Ibach-Treppe im Juli 2004;
• Uneinsichtige Haltung der Stadtverwaltung in Sachen Verkehrszeichen bzw. Beschilderung in der Regerstraße;
• zu geringe Flexibilität bei den WSW zur Fahrplangestaltung;
• Dispositionsmängel bei den ESW: zu früher Einsatz der Kehrmaschinen in den Wohngebieten, wenn noch kaum ein Anwohner zur Arbeit unterwegs ist;
• Einzug der Linksextremisten von der PDS (später „Die Linke“) am 26. September 2004 in die Bezirksvertretung.

Rücktritt
Der 2. Vorsitzende Edgar Spier erinnerte sich, wie sich Hermann-Josef Brester bemüht hatte, ihn, dessen Vater Presbyter der Vereinigten Evangelischen Kirchengemeinde Heidt war, zur Mitgliedschaft und Mitarbeit im Vorstand des HBV zu bewegen. In den letzten Jahren kam es zur fruchtbaren Zusammenarbeit der Nachbarn in den Häusern Weberstraße 9 und 33. Spier: „Der Rücktritt macht wehmütig, doch danken wir Josef Brester für die geleistete Arbeit, die er in schwierigen Zeiten gut gemacht hat und wünschen ihm Gottes Segen! Toi, toi, toi!“

Persönliches
Hermann-Josef Brester wurde am 19. Mai 1950 in der ehemaligen Privatklinik in der Freiligrathstraße geboren, just in dem Haus, das in den Sommerferien 2004 durch einen zweifachen Tötungsdelikt in negative Schlagzeilen geriet…. Er ist in Wichlinghausen aufgewachsen und war nach dem Umzug auf dem Heidt 1957 einer der ersten Schüler der damals neu erbauten Volksschule (heute Hauptschule) an der Gewerbeschulstraße. Dem Abitur schloss sich von 1969 bis 1976 ein Studium der katholischen Theologie und Geographie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität in Bonn an. Seit 1979 unterrichtet Brester in den beiden studierten Fächern (und bei Bedarf auch in Politik und Geschichte) am 425 Jahre jungen Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium am Johannisberg in Elberfeld. Seit 2007 leitet er den schon seit 10 Jahren bestehenden Schüleraustausch des WDG mit der Partnerschule II. Lyceum in Liegnitz/Niederschlesien, der polnischen Partnerstadt Wuppertals.
Bresters wichtigster Halt ist die Familie mit erwachsenen Kindern (Tochter und wenig jüngerem Sohn). Unverzichtbar sind die Besuche mit der Familie im Chiemgau, der dank Frau und Schwiegereltern zur zweiten Heimat wurde. Hobbys sind das Tanzen und immer noch die aktive Tätigkeit als Fußballschiedsrichter im Jugendbereich (seit 1965). Die Schiedsrichtertätigkeit war aber nicht das erste Ehrenamt: am Fronleichnamstag 1962 begann er als Ministrant seine Mitarbeit in der Katholischen Pfarrgemeinde St. Antonius, Barmen, die er bis heute in verschiedenen Funktionen wahrnimmt.

09.05.2008

Hermann-Josef Richter

(kgc). Als die Stadt Wuppertal Altbürgermeister Hermann-Josef Richter am 3. Februar 2009 mit einem Empfang im Rathaus zum 65. Geburtstag ehrte und feierte, wurde das vielfältige Engagement des überzeugten Nächstebreckers deutlich und gewürdigt. Hermann-Josef Richter war mehr als 20 Jahre Stadtverordneter, fünf Jahre Bürgermeister, viele Jahre Vorsitzender des CDU-Stadtbezirksverbandes Nächstebreck. Er ist Vorsitzender des Bürgervereins Nächstebreck, Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse und des Ehrenrings der Stadt Wuppertal. Angesichts der Fülle von Ehrenämtern gratulierten viele Menschen, allen voran Oberbürgermeister Peter Jung, Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig und der Bundestagsabgeordnete Dr. Peter Hintze, zum runden Geburtstag, der üblicherweise – nicht aber beim Geburtstagskind – den Eintritt ins Rentenalter signalisiert.

Hermann Josef Richter wurde am 1. Februar 1944 im ostwestfälischen Ort Nieheim geboren. Dort hatte die Barmer Ersatzkasse nach dem Zweiten Weltkrieg und Abschied aus Berlin eine neue, vorübergehende Heimat für ihre Hauptverwaltung gefunden. Von dort zog der Zwölfjährige 1956 mit seiner Familie nach Wuppertal.

Hermann-Josef Richter ist mit Ehefrau Ilse verheiratet.

Mitte der 1960er Jahre trat Hermann-Josef Richter in die Dienste des Schuhhauses Klauser ein und stieg zum Prokuristen und zuletzt zum Geschäftsführer auf. Unter seiner Führung expandierte das Unternehmen der Familie Prange, eröffnete zahlreiche Filialen und übernahm 2009 die deutschen Filialen der Schuhmarke Salamander.

Früh hat sich Hermann-Josef Richter politisch und ehrenamtlich engagiert. An erster Stelle stand sein Heimatstadtteil Nächstebreck, dem seine ganze Zuwendung galt. Das „Nächstebrecker Jahrbuch“ informierte nach dem Heckinghauser Vorbild über alles Wissenswerte im Stadtteil. Er übernahm den Vorsitz der Stadtbezirks-CDU und initiierte Veranstaltungen, die Wuppertal-weit Beachtung fanden: Winterwanderung, Osterfeuer, Heimatfest, Kinderfest und Weihnachtsfeier. Alle Jahre wieder trafen sich viele Menschen im hohen Nordosten der Stadt, dessen Ortsbild sich auch deshalb deutlich verbesserte, weil Hermann-Josef Richter es verstanden hat, Kräfte zu bündeln (Arbeitsgemeinschaft Nächstebrecker Vereine), Ideen zu entwickeln, zu organisieren, Menschen zu motivieren und zu führen. Straßen wurden zu Alleen, Verkehrsüberwege schützen noch heute Fußgänger. Als zweiter Vorsitzender des Bürgervereins Nächstebreck hat er viele Jahre seinen Vorsitzenden Herbert Schmitz unterstützt. Erst nach Ende seiner politischen Karriere löste Richter seinen ehrenamtlichen Chef ab.

Nachdem Hermann-Josef Richter dem Stadtbezirk Nächstebreck im Rat der Stadt Wuppertal eine klare Stimme gegeben hatte, rückte der Stadtverordnete zum christdemokratischen Fraktions- und Parteivorsitzenden auf. Von 1994 bis 1999 repräsentierte er als Nachfolger seines Parteifreundes Kurt Drees die Stadt als Bürgermeister. Er war maßgeblich an der Errichtung des Technologiezentrums auf dem Lichtenplatz beteiligt. Bei der Kommunalwahl 1999, mit Direktwahl des Oberbürgermeisters, misslang nach heftigem Wahlkampf gegen den SPD-Amtsinhaber Dr. Hans Kremendahl der Griff nach dem höchsten Amt der Stadt Wuppertal. Seine Partei gewann die Mehrheit im Stadtrat, doch ihr Spitzenkandidat verlor. Hermann-Josef Richter legte sofort alle politischen Ämter nieder und engagierte sich fortan (primär) im Bürgerverein Nächstebreck und in der Hospizbewegung.

Hubert Pfeiffer

Straße und Platz zu Ehren des Musikanten Gottes

(kgc). In der Barmer Südstadt sind eine Straße und ein Platz nach Hubert Pfeiffer benannt. Umgeben ist er in diesem Viertel von anderen berühmten Komponisten wie Richard Strauß, Carl Maria von We-ber, Albert Lortzing, Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Reger und Carl Orff. Hubert Pfeiffer wurde zwar nicht berühmt, aber in Fachkreise gilt er als „Musikant Gottes“.

Hubert Pfeiffer wurde am 14. Oktober 1891 in Wuppertal-Unterbarmen an der Bendahler Straße 32 geboren. Kurz nach der Geburt wurde den Eltern Peter und Elisabeth Pfeiffer zur traurigen Gewissheit, dass das Augenlicht ihres einzigen Kindes nicht mehr zu retten war. Umso erfreuter waren sie, als sich das musikalische Talent Huberts mehr und mehr entwickelte. Sie ließen ihm Privatunterricht geben, weil der Besuch einer Schule nicht möglich war. Später besuchte er die Blindenschule in Düren, wo er mit 18 Jahren den Abschluss machte.

Im 20. Lebensjahr bestand Hubert Pfeiffer die Organisten- und Chorleiterprüfung. Von 1911 bis 1914 studierte der äußerst talentierte junge Mann auf dem Elberfelder Konservatorium Potthof-Zimmermann. Er erntete hohes Lob von Max Reger. Orgel, Klavier und Cello waren Pfeiffers bevor-zugte Instrumente.

Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Hubert Pfeiffer als Privatmusiklehrer. Daneben widmete er sich intensiv dem Komponieren und gab Konzerte. Von 1922 bis 1926 wirkte er als Organist und Kantor an der Unterbarmer Herz Jesu-Kirche und blieb auch der Katholischen Pfarrgemeinde verbunden. Er wohnte in der Gronaustraße, zuletzt im Pfarrhaus neben der Herz Jesu-Kirche. Im dortigen ehemaligen Damenstift „Klösterchen“, in dem heute die internationale Caritas-Begegnungsstätte ihr Domizil hat, lebte seine Frau weiter.

In den acht Jahren des eigentlichen Schaffens von Hubert Pfeiffer entstanden Messen, das populär gewordene „Laudate Dominum“, Klaviersonaten, Musik für Violine und Klavier, für Orgel, Orgel und Blechbläser, Klarinette, Motetten und Antiphone, außerdem weltliche Gesänge.
Der Blinde, der keine einzige Note nieder schreiben konnte, verfügte über ein phänomenales musikali-sches Gedächtnis. Notengetreu konnte er Bach’sche Fugen nach einmaligem Hören wieder geben. Der mit der Familie Pfeiffer befreundete Generalmusikdirektor Franz von Hoesslin hatte dem Kompo-nisten bei der Niederschrift seiner Werke geholfen. Auszeichnungen erhielt der junge Komponist: den Beethoven-Preis, den Staatspreis der Preußischen Akademie der Künste.
Gestorben ist Hubert Pfeiffer am ersten Weihnachtstag, dem 25. Dezember 1932, an einer Blutvergif-tung. Das von seiner Heimatstadt gepflegte Grab befindet sich auf dem Katholischen Friedhof an der Liebigstraße. Zur Beerdigung sang die Wuppertaler Kurrende, mit der Pfeiffer 20 Jahre lang viel zu-sammen gearbeitet hatte, das „Dona nobis pacem“ aus der D-Moll-Messe. Pfarrer Hermkes von der Barmer Herz Jesu-Kirche hielt die Exequien, wo er sagte: „Er darf nun sehen, was er geglaubt hat“.
Die Stadt Wuppertal ehrte ihn mit der Benennung einer Straße und eines Platzes im Barmer Dichter- und Komponisten-Viertel.

Husch-Husch

„Husch-Husch“ – ein Leben auf der Straße
Als Wuppertaler Original erinnert man sich heute gerne an ihn. Dabei war das Leben des Peter Held alles andere als romantisch oder komisch.

Wuppertal. Es muss viel Betrieb gewesen sein an der Pforte und am Fernsprecher des Barmer Krankenhauses. So viel, dass sich die Klinik genötigt sah, die örtliche Presse um Hilfe zu bitten, um nicht immer wieder die gleichen Auskünfte an besorgte Wuppertaler geben zu müssen.

Und so war in der Bergisch-Märkischen Zeitung vom 10. März 1936 zu lesen, dass der „Vagabundus Husch-Husch“ zwar in ärztlicher Behandlung, jedoch nicht gestorben sei und in Kürze auch wieder zu „seinem Geschäft und seinen Geschäftsfreunden“ zurückkehren werde.

Dass er dereinst eine Berühmtheit im Tal werden würde, hatte sicher niemand geahnt, als Peter Held am 2. August 1886 als Sohn eines Tagelöhners an der Heckinghauser Werlestraße 26 geboren wurde. Als der Vater 1920 starb, zog Held von zu Hause das lag inzwischen an der Plateniusstraße 30a in Elberfeld aus, und ging als Hausierer „auf die Walze“, erinnerte sich 1978 seine jüngste Schwester Maria Röhrken im Gespräch mit der WZ.

Immer dabei: der Margarinekarton, in dem Held seine Waren Knöpfe, Schnürsenkel, Sicherheitsnadeln und Bleistiftstummel aufbewahrte. Besonders beliebt war er nicht bei seinen Kunden, die er, laut Zeitgenossen, übel beschimpfte, wollten sie ihm nichts abkaufen. Sein als ungepflegt beschriebenes Äußeres trug wohl ein übriges dazu bei, dass die Wuppertaler lieber einen Bogen um den Tippelbruder machten.

Im Gegensatz zu den Kindern. Die hatten ihren Spaß daran, in Scharen hinter ihm herzulaufen und ihn mit „Husch-Husch“-Rufen in Rage zu bringen. Den Spitznamen, unter dem sich auch mehr als 50 Jahre nach seinem Tod noch alle seiner erinnern, hat Peter Held selber gehasst wie die Pest. Geschichten, in denen er versuchte, mit seinem Stock die Plagegeister zur Ruhe zu bringen, sind am häufigsten von ihm überliefert.

Daran kann sich auch Wolfgang Meyer erinnern. Als Zehnjähriger rannte der Heckinghauser mit den Nachbarskindern auf der Bockmühle hinter dem Stadtstreicher her. „Bis meine Eltern es mir verboten“, erzählt er.

„Ich sollte den armen Mann nicht noch mehr ärgern“, sagt Meyer und erinnert sich, dass Held damals jeden Freitag in der Gaststätte Kuhrenbach, dem heutigen Bockmühleck, beim „Lohntütenball“ der Straßenbahnschaffner darauf hoffte, ein Schnäpschen abzubekommen.

Das war 1941. Peter Held galt zu dieser Zeit in Wuppertal bereits als lebendes Original. Nicht nur seine Schimpfkanonaden, sondern auch seine Schlagfertigkeit, vor allem gegenüber der Polizei und den nationalsozialistischen Ordnungshütern, die als Anekdoten bis heute kursieren, hatten ihn bekannt und (irgendwie) auch beliebt gemacht. Geholfen hat ihm das wenig.

1937 machte ihm der Staat des Dritten Reiches wegen Umhertreibens und Bettelns den Prozess. Obwohl er beteuerte, mittlerweile mehr Milch als Alkohol zu trinken, Wert auf Sauberkeit zu legen, sesshaft werden und eine richtige Arbeit annehmen zu wollen, verurteilte ihn der Richter zu sechs Wochen Haft in Bendahl und anschließend zu zwei Jahren so genannter Nachhaft im Gestapo-Gefängnis Brauweiler.

Dort wurde er 1939 entlassen, wohnte zunächst bei seiner Schwester Maria in Elberfeld, danach in verschiedenen Wohnheimen der Heilsarmee und im Armenhaus. Aus der Elberfelder Bombennacht von 1943 stammen die letzten Augenzeugenberichte über Held.

Die einen sagten, er sei bei dem Angriff ums Leben gekommen, andere berichteten, er sei schwer verletzt aus einem verbrannten Haus gerettet worden. Seine Schwester Maria, so erzählte sie der WZ 1978, hörte nie wieder etwas von ihm.

Im Stadtarchiv gibt es nach dieser Zeit nur noch einen Eintrag zu Peter Held. Zehn Jahre später, am 28. November 1953, ist er demnach in der psychiatrischen Landesheilanstalt Galkhausen gestorben. Damit verliert sich in den heutigen Rheinischen Kliniken Langenfeld seine Spur.

Denn auf WZ-Anfrage suchte man, 53 Jahre nach seinem Tod, in den Klinikarchiven nach Unterlagen über den Patienten Peter Held, konnte aber nichts finden. Er sei dort nicht bekannt, hieß es.

02.08.06
Von Silke Derkum

Günter Grüneberg

(kgc). Geboren wurde er an einem Gründonnerstag (21. März 1940), gestorben ist er am Karfreitag (10. April 2009) an den Folgen einer schweren Operation. Für einen katholischen Christen wie Günter Grüneberg eine bemerkenswerte Fügung. Bekannter als er ist ein anderer Grüneberg, mit Vornamen Richard. Dieser ist der „Husch Husch“ bei den „Wuppertaler Originalen“. Beiden Männern scheint das Gesangstalent in die Wiege gelegt.
Bindungen
Günter Grüneberg lebte mit seiner Frau Gisela, die ihm Tochter Sonja schenkte, an der Heckinghauser Straße. Dennoch waren die Bande zur katholischen Herz-Jesu-Kirche in Unterbarmen sehr eng, zumal Frau Gisela als Pfarrgemeinderatsvorsitzende amtierte. Bei dieser Verbindung war es nahe liegend, dass Günter Grüneberg am 30. April 2009 seine letzte Ruhe auf dem katholischen Friedhof an der Liebigstraße fand.
Hobby
Günter Grüneberg hat viele Jahre im Schubert-Bund gesungen und war längere Zeit dessen Vorsitzender.
Vom Männerchor zum gemischten Chor mit Konzeptprogramm
Im Juni des Jahres 1946, lag das Wuppertal größtenteils noch in Schutt und Asche und die Menschen kämpften in erster Linie ums Überleben. Dennoch gründete eine Gruppe junger Enthusiasten, vor dem Krieg in verschiedenen Barmer Chorvereinigungen zuhause, den Männerchor „Schubert-Bund Wuppertal“. „Tatort“ für das erste Konzert im Februar 1947 war der einzig nutzbare Saal, der Betsaal des Friedensheimes am Mühlenweg. Mitbegründer und erster Chorleiter war Heinz Keller. Der Chor verschaffte sich schnell einen guten Ruf über die Stadtgrenzen hinaus und tourte durch die Schweiz, Frankreich, Österreich, Holland und die USA. Rundfunkanstalten nahmen etwa 100 Chorwerke auf, sieben Schallplatten wurden produziert. Wegen der oft vergeblichen Suche nach einem geeigneten Probenraum bauten sich die Sänger 1951 in Eigenleistung ein eigenes Heim, das „Schubert-Haus“ in der Sternstraße. Im Haus, bestehend aus Wohnungen, einer Gastwirtschaft und einem großen Saal, war neben dem Probenraum des Chores auch viele Jahre der gesellschaftliche Mittelpunkt des Ostteiles der Großstadt. Leider musste es wegen mangelnder Rentabilität in den 1990er Jahren veräußert werden.
1982 entstand unter Leitung von Franz Lamprecht, nicht zuletzt wegen des fehlenden männlichen Nachwuchses und mangelndem Interesse des Publikums am Männerchorgesang, ein gemischter Chor mit dem Ziel, der Stadt Wuppertal neue musikalische Impulse zu geben und Wuppertal im In- und Ausland musikalisch würdig zu vertreten. Premiere hatte der gemischte Chor am 1. Mai 1983 mit Händels „Messias“ in der Erlöserkirche. Konzerttätigkeiten sind europaweit dokumentiert. Zusammen mit Mitgliedern des Oratorienchores Holden und dem Chor der Düsseldorfer Landesregierung unternahm der Bund 1986 eine 12tägige Israel-Reise mit Aufführungen u.a. des „Deutschen Requiem“ von Brahms in Haifa und Jerusalem. Unter Leitung von Franz Lamprecht wurde ein vielseitiges Repertoire erarbeitet, einschließlich weltlicher und geistlicher a cappella Werke. Im Januar 1988 übernahm Winfried Maczewski, damals Operndirektor der Wuppertaler Bühnen, kurzzeitig den Schubert-Bund. Mit dem Wechsel zum heutigen Dirigenten Thomas Honickel vollzog sich 1989 auch der Wechsel vom klassischen Repertoire hin zu konzeptionellen Konzertprogrammen. Porträtkonzerte mit thematischen Schwerpunkten und weniger geläufige Werke gelangten so in den vergangenen Jahren zur Aufführung: beispielsweise „Mendelssohn-Porträt“, „As-Dur-Messe“ von Schubert, Magnificat“ von Johann Sebastian Bach und zwei Mozart-Konzerte anlässlich seines 200. Todesjahres. Die Präsentationsweisen und ein steter Anstieg der choristischen Qualitäten haben die Bedeutung des Chores und seinen Bekanntheitsgrad im Bergischen Land merklich angehoben. Mit dem ebenfalls von Thomas Honickel betreuten „Jungen Philharmonischen Orchester Wuppertal“ arbeitete der Schubert-Bund erfolgreich zusammen.
Durch den unerwarteten Tod des Vorsitzenden Klaus Rech am 19. August 1997 war der Schubert-Bund kurzfristig zur Umbesetzung des Vorstandes gezwungen. Der bisherige 2. Vorsitzende Günter Grüneberg übernahm den Vorsitz. Im April 1997 ist außerdem der ehemalige Vorsitzende (1987-1996) Klaus Feisel verstorben. Die Sängerinnen und Sänger des Schubert-Bundes fusionierten mit dem Chor der Volksbühne. Nach einer für alle Beteiligten ärgerlichen Zeit später folgte der Niedergang in Form eines Konkurses. Zu dieser Zeit hatte sich Günter Grüneberg längst aus dem Chor verabschiedet.

Grete Heublein

Aus dem Buch „Wuppertals Olympiageschichte“ (1996, Verlag J.H. Born GmbH) mit freundlicher Genehmigung von Herausgeber und Autor Peter Keller

Grete Heublein wurde am 29. Januar 1908 in Barmen geboren, lebte in der Leimbacher Straße, wurde 1926 erstes weibliches Mitglied der Sport- und Spielvereinigung Barmen (Vorläuferverein des ASV Wupper-tal) und gehörte zwischen 1928 und 1932 zu den besten deutschen Leichtathletinnen. Trainiert wurde sie von ihrem Schwager, dem Polizeimeister Eugen Stark. In dieser Zeit erzielte sie im Kugelstoßen ihre bes-ten Ergebnisse. Sie verbesserte dreimal den Weltrekord und erzielte mit 13,70 m ihre Bestmarke.

1928 startete die 20-jährige Grete Heublein bei den Olympischen Spielen in Amsterdam im Diskuswerfen. Ihre Paradedisziplin, das Kugelstoßen, war weder 1928 noch 1932 olympisch. Ihr Verein, die SSVg Bar-men, hatte mit ihrer Mitgliedschaft Leichtathletik-Neuland betreten, war technisch entwicklungsfähig und international unerfahren. Dennoch schaffte die hochgewachsene Barmerin im Endkampf den 5. Rang. Für Grete Heublein war es eine große Auszeichnung, dass sie nach 1928 auch für die Olympiade 1932 in Los Angeles nominiert wurde. Die Amerika-Reise war zwar ein schönes Erlebnis, doch der Olympiasieg blieb für „das blonde Kind vom Rhein“ ein unerfüllter Traum. Immerhin erlief die Diskuswerferin und Weltrekordle-rin im Kugelstoßen mit der 4 x 100 m Staffel einen achtbaren 6. Platz. Für die SSVg Barmen startete auch Werner Spannagel bei Olympia.

Grete Heublein absolvierte vier Leichtathletikländerkämpfe. Sie wurde sechsmal Deutsche Meisterin: vier-mal im Kugelstoßen, zweimal im Diskuswerfen. Bei den Frauen-Weltspielen 1930 wurde sie Weltmeisterin im Kugelstoßen mit 12,49 m.

Ihren Lebensunterhalt verdiente die als beischeiden geltende Grete Heublein von 1934 bis zur Pensionie-rung 1968 als Mitarbeiterin (Vorarbeiterin in der Werkzeugausgabe) im Bereich Technik der Elektrowerke Vorwerk & Co. Nachdem sie zuletzt im Altenheim Meckelstraße gelebt hat, ist sie am 2. März 1997 in Bar-men gestorben.

Gottlob Espenlaub

Gottlob Espenlaub ist in Barmen seit dem Zweiten Weltkrieg als Unternehmer eines großen Leichtmetall verarbeitenden Betriebes in Langerfeld bekannt, der im Krieg Militärflugzeuge reparierte und an Neuentwicklungen mitarbeitete. Später zu Zeiten des alliierten Verbotes zum Flugzeugbau beschäftigte Espenlaub sich mit dem Bau von Auto-Prototypen, die wegen ihrer futuristischen Formgebung manchem älteren Wuppertaler noch in Erinnerung sind.
Geboren am 25.10.1900 in Schwaben und zum Tischler ausgebildet, kam Espenlaub schon als junger Mann zur Segelfliegerei in der Rhön, wo damals die ersten Flugzeuge noch in Holzbauweise entstanden und zum Fliegen gebracht wurden.
Der Autodidakt tüftelte unentwegt an Neuentwicklungen und scheute auch risikoreiche Erstflüge nicht, um die Tauglichkeit seiner Konstruktionen zu beweisen. So machte er sich in diesen Anfangsjahren der Segelfliegerei bald einen Namen und lernte die damaligen Asse der Fliegerei kennen. Schon 1929 gelang Espenlaub der Erstflug mit einem von ihm konstruierten Raketenflugzeug.
Mit dem dritten Reich begann die fulminante Entwicklung der motorisch angetriebenen Flugzeuge, die zuvor den Deutschen noch von den alliierten Siegermächten strikt verboten war – ein Verbot, über das sich die Nazis ungestraft hinwegsetzten. Espenlaub hatte sich inzwischen in Düsseldorf selbständig gemacht und bekam von der Luftwaffe interessante Aufträge zur Reparatur und Weiterentwicklung von Militärmaschinen. Noch vor Kriegsbeginn zog die junge Firma im Mai 1939 nach Langerfeld um, wo bald mit einem weiteren Werk auch ein eigener Flugplatz angelegt wurde. Im Krieg stieg die Zahl der Reparaturaufträge so steil an, dass weitere Werkstätten und – später durch die Kriegslage bedingt – die Verlagerung der Produktion in bombensichere Eisenbahntunnels bei Langerfeld notwendig wurden. Bei Kriegsende arbeiteten über 2.000 Mitarbeiter für „Espenlaub Flugzeugbau“, davon ein Großteil zwangsverpflichteter Fremdarbeiter aus vielen Staaten Europas.
Mit Kriegsende erlosch erneut für lange Jahre der Flugzeugbau in Deutschland. Espenlaub versuchte sich dank seines Luftfahrt-Know-hows mit der Entwicklung und dem Bau strömungsgünstiger Automobile, ohne dass der Einstieg in eine rentable Serienfertigung gelang. Manch Wuppertaler erinnert sich aber noch an seltsam geformte Autos, die um Barmen herum ihre Kreise zogen, und an ebensolche Drachen mit frommen Beschriftungen.
Gottlob Espenlaub verstarb im Februar 1972, seine Firma überlebte ihn noch um cirka zehn Jahre.
Der Schwabe Espenlaub hat im Nachhinein betrachtet die Hälfte seines Lebens in Wuppertal gelebt, in Langerfeld gearbeitet und in Barmen in der Rudolf-Ziersch-Str. 3 in der charakteristischen, im Bauhausstil erbauten „Villa Espenlaub“ gewohnt.

Günther Voigt

(kgc). Günther Voigt hat in jahrzehntelanger, selbstloser Tätigkeit die rheinische Geschichtswissenschaft um neue Darstellungen bereichert. Trotz des aufreibenden Berufes als Grundschulrektor hat er den Feier-abend genutzt, um Licht in das Dunkel mancher Bausteine der Regionalgeschichte zu bringen. Als er Feuer gefangen hatte, setzte er sein waches Interesse ein und betrieb ortshistorische Forschungen, die ihn nicht mehr los ließen. Günther Voigt galt als bester historischer Sachkenner des Wuppertaler Stadtteils Langer-feld. Er ist ein Vorbild für alle, die Geschichte nicht als totes Wissensgebiet betreiben, sondern als lebendi-ge Form der Auseinandersetzung mit der eigenen Heimat.
Größten Wert messen Wissenschaftler ihren Publikationen bei, die den Anspruch des Forschers mit didak-tischem Geschick verbinden. Viele Artikel hat Günther Voigt für die Schrift „Langerfelder Heimatgruß“ des Langerfelder Bürgervereins geschrieben. Zwölf Jahre, von 1955 bis 1967, fungierte er als Herausgeber der Schriftenreihe „Langerfeld im Wandel der Jahrhunderte“. In zahlreichen anderen Organen war er mit lokal-geschichtlichen Aufsätzen vertreten. Bei dieser Schreibtischarbeit ist es nicht geblieben. Vielmehr gelang es Günther Voigt, seine Erkenntnisse der Öffentlichkeit weiterzugeben, ein immer größeres Publikum für die Beschäftigung mit der Heimatgeschichte zu interessieren. Tatkräftig wirkte er im Bergischen Ge-schichtsverein, im Langerfelder Bürgerverein, in der Bezirksvertretung Langerfeld-Beyenburg und im Ar-beitskreis Stadtgeschichte in Wuppertal mit. Im Verein für Heimatkunde Schwelm trug er dazu bei, die his-torische Beziehung zum westfälischen Schwelm neu zu beleben. Viele seiner Initiativen führten zu prakti-schen Konsequenzen in der Denkmalpflege. In Beyenburg wurde auf seine Anregung hin ein historischer Lehrpfad angelegt.
Den Rheinlandtaler nahm Günther Voigt am 14. Mai 1979 aus den Händen von Bürgermeister Josef Kürten für seine Verdienste um die Heimatgeschichte in Empfang.

28.12.2007