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Bürgersinn schafft soziale Tat!

Aufsatz aus Zeitschrift „Unser Wald“ der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Ausgabe März 1960, zum 96-jährigen Bestehen des Barmer Verschönerungsvereins, Autor unbekannt:
Bürgersinn schafft soziale Tat!
Wuppertal-Barmen gab ein nachahmenswertes Beispiel
Wie jedes Jahrhundert sein eigenes Gesicht prägt, so brachte das 19. Jahrhundert, insbesondere in seiner zweiten Hälfte, grundlegende und entscheidende Änderungen: die Industrialisierung trat ihren Siegeszug an und brachte eine Umgestaltungswelle, die nicht nur den einzelnen Menschen erfasste, sondern insbesondere Besitz ergriff von Natur und Landschaft. Auch Barmen, diese idyllisch an der Wupper gelegene, im Jahr 1808 mit Stadtrechten ausgezeichnete Stadt der Bleicher und Färber, kam bei der damals sprunghaften Ausdehnung mit seiner Talniederung zu beiden Seiten der Wupper nicht mehr aus. Die Bleicherwiesen entlang des Flusses mussten Fabriken, Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden weichen, und so schob sich die Besiedlung aus dem engen Tal auch an den beiderseitigen Hängen hinauf, wo sie die landwirtschaftlichen Höfe allmählich verdrängte.
Mitten in dieser Aufwärtsentwicklung erkannte ein Kreis vorausschauender Barmer Bürger die Notwendigkeit, rechtzeitig entsprechende Gebiete als Grünflächen und Erholungsgebiete zu sichern. Bereits am 8. Dezember 1864 wurde durch Stiftung einiger Barmer Fabrikanten die erste Keimzelle des heute nahezu 100 Jahre bestehenden Barmer Verschönerungsvereins am Rande des so genannten Barmer Waldes geschaffen. Diese anerkennenswerten Bestrebungen einer freien Bürgerschaft fanden bald auch die Unterstützung des damaligen ersten Oberbürgermeisters der Stadt Barmen, Geheimrat August Bredt. Den gemeinsamen Bemühungen gelang es, weitere Kreise für diese gute Sache zu interessieren. Mit Hilfe erstaunlich großzügiger Spenden und Stiftungen, vornehmlich aus der Industrie und der Wirtschaft, konnte diese erste Keimzelle bald durch Erwerb und Stiftung weiteren Geländes ausgeweitet und im stadtnahen Gebiet durch die Schaffung der heutigen unteren Anlagen und durch die Ausgestaltung des reizvollen Ringeltales bereichert werden. Wenig später kamen dann im Fischertal sehr schöne Grün-Anlagen mit großen Spielplätzen hinzu, die sich der besonderen Topographie sehr glücklich anpassten. Die landschaftlich großzügige und weiträumige Gestaltung dieser „Barmer Anlagen“ wird auch heute von ersten Landschaftsgestaltern und Gartenarchitekten noch als vorbildlich betrachtet.
Wie dankbar die Schaffung eines derartigen gepflegten, landschaftlich einzigartigen und stadtnahen Erholungsgebietes damals anerkannt und aufgenommen wurde, zeigte die Spenden- und Förderungsfreudigkeit der gesamten Bevölkerung. Schon im Jahr 1889, bei seinem 25-jährigen Jubiläum, konnte der Barmer Verschönerungsverein mit einem von Industrie und Besiedlung unangetasteten, der Bevölkerung uneingeschränkt offen stehenden Besitz von nahezu 300 Morgen eigenen Park- und Waldflächen einen Erfolg aufweisen, der, lediglich gestützt auf die Liebe der Bevölkerung zu ihrer Heimat und zur Erhaltung ihrer Natur und Landschaft, in dieser Art wohl seinesgleichen suchen kann.
Die sich bis auf die Barmer Südhöhen und darüber hinaus bis in das landschaftlich reizvolle Murmelbachtal ausdehnenden Anlagen und Waldungen fanden ihre Krönung durch den 1886 gestifteten, 1887 erbauten und 1888 eröffneten Toelleturm, von dem aus man einen eindrucksvollen Rundblick nicht nur über das Wupper-Tal, sondern ins Westfälische, in das Bergische Land, hinüber zum Rhein und in das anschließende Ruhrgebiet hat.
Im Laufe der Jahre stellte der Barmer Verschönerungsverein immer wieder sein Gelände den öffentlichen Interessen zur Verfügung. So fanden zahlreiche Kriegerdenkmäler und Denkmäler verdienter Bürger der Stadt dort einen würdigen Platz und Rahmen. 1881 begann der Verein mit dem Bau einer Restauration als Vorläufer der 1897 eröffneten Barmer Stadthalle, die der geselligen Zusammenkunft der Bürger diente. 1890 folgte das sich in die Landschaft glücklich einfügende Schwarzwaldhaus „Meierei Fischertal“. 1891 stellte der Verein einen Geländestreifen für die Verwirklichung einer ebenfalls aus den Kreisen des Barmer Verschönerungsvereins stammenden Idee des Baus einer Bergbahn zum bequemen Erreichen des Toelleturm und der Südhöhen zur Verfügung. Diese wurde dann als erste elektrisch betriebene Zahnradbahn Deutschlands als „Barmer Bergbahn“ am 16. April 1894 in Betrieb genommen. Sie war mit ihrer Kraftzentrale die Keimzelle der späteren elektrischen Straßenbahnen Barmens. Die Bergbahn überwand den Höhenunterschied von ca. 150 Metern zwischen der Talsohle Am Clef und den Südhöhen in bequemster Weise. Durch die herrlichen Anlagen und Waldpartien des Verschönerungsvereins führte sie, immer wieder neue Eindrücke bietend, ihre Fahrgäste von nah und fern in wenigen Minuten direkt zum Aussichtsturm. Am 4. Juli 1959 wurde die Zahnradbahn trotz heftiger Proteste der Bevölkerung auf Beschluss der Wuppertaler Stadtwerke AG, wegen betriebsgefährdeten Zustandes vorläufig stillgelegt, nachdem sie 65 Jahre lang bis zuletzt mit ihren ersten, ursprünglichen Wagen jahraus jahrein stets pünktlich und zuverlässig, auch im Winter bei Eis und Schnee, ihre Aufgaben im Dienst der Allgemeinheit erfüllt hatte.
Die Wunden des Zweiten Weltkrieges sind verheilt
Der günstigen Verkehrsverbindung zwischen der Talsohle und den Südhöhen verdanken auch den Bau der endgültigen Stadthalle des Barmer Verschönerungsvereins, sowie dieser gegenüber, ebenfalls auf Vereinsgelände, 1926 die Platzierung des Planetariums, wie auch nach der Zerstörung dieser Baulichkeiten durch den Zweiten Weltkrieg ab 1956 der Barmer Ersatzkasse (ab 2002 Wupperverband) an dieser Stelle ihre Begründung.
Die einerseits bis in die dicht bebaute Stadt einmündenden Anlagen gehen nach den Südhöhen zu mehr und mehr in Waldungen über. Inmitten dieses Waldes liegt ebenfalls auf Vereinsgelände der Barmer Ehrenfriedhof, der für die Opfer des Ersten Weltkrieges angelegt, eine der schönsten und eindrucksvollsten Anlagen dieser Art in der ganzen Bundesrepublik Deutschland darstellen dürfte. Hohe, rauschende Bäume wahren den Frieden dieser würdigen und weihevollen Ruhestätte.
Der Zweite Weltkrieg richtete ungeheure Zerstörungen an. Fast alle Gebäude auf dem Areal des Verschönerungsvereins wurden vernichtet. Das Erschütternste aber war die verheerende Wirkung der Bombenangriffe am 30. Mai 1943 in den Anlagen und Wäldern. So mancher alte Baumbestand ging unwiederbringlich verloren! Was in den Wäldern des Vereins nicht vom Bombenhagel vernichtet wurde, fiel bei der zunehmenden Not mehr und mehr dem Brennstoffmangel zum Opfer. Als man sich nach dem Krieg anschickte, die Verwüstungen zu beseitigen, galt es zunächst, die Wege wieder begehbar zu machen, überall Trümmer zu entfernen und in erster Linie die stadtnahen Parkanlagen allmählich wieder in einen gepflegten Zustand zu versetzen. Nach und nach konnte man sich auch der Aufräumung der Waldungen zuwenden. Da, wo noch gewisse Bestände vorhanden waren oder sich als Wildwuchs wieder heran bildeten, suchte man durch Durchforstung und Durchlichtung Ordnung zu schaffen und hier und da auch Neuanpflanzungen vorzunehmen. Leider musste noch mancher schöne, stattliche Baum, der auf den ersten Blick verschont geblieben war, geopfert werden. Um so größere Liebe und Sorgfalt ließ man in den Folgejahren den übrig gebliebenen seltenen Parkbäumen zuteil werden, unter denen sich auch wertvolle exotische Exemplare befinden. Manche Verwundungen versuchte man durch sorgfältige Behandlung, durch Plombierungen und „Prothesen“ zu heilen, um das Leben angeschlagener, ehrwürdiger Parkveteranen wenigstens noch um einige Jahre zu verlängern.
Da das Areal des Barmer Verschönerungsvereins bis in die Nachkriegszeit noch von vielen Fremdparzellen, die zum Teil Eigentum der Stadt waren, durchzogen war, war das Bestreben des Vereins klar, sein Gelände, schon der einheitlichen Pflege und Beaufsichtigung wegen, zu arrondieren. Im Jahr 1955 gelang es durch Tausch mit der Stadt Wuppertal, sowie Kauf und durch Umlegungen, den Besitz großzügig abzurunden, so dass dieser freie Bürgerverein heute über einen zusammenhängenden und kaum noch durch Fremdparzellen beeinträchtigten Eigenbesitz von ca. 320 Morgen = 80 Hektar verfügt, der im Mittelpunkt des Weichbildes der heutigen Stadt Wuppertal liegt und, wie früher, den Hauptanziehungspunkt für die erholungssuchende Bevölkerung bildet. Inmitten einer Großstadt von rund 420.000 Einwohnern dürfte dieser Besitz eines Bürgervereins mit seinen in der Hauptsache aus Mitgliedsbeiträgen, Zuwendungen und Stiftungen unterhaltenen vorbildlichen Anlagen und Waldungen heute wohl im ganzen Bundesgebiet einzig in seiner Art dastehen.
Barmer Beispiel machte Schule
Durch seine verkehrsmäßig günstige Lage zur bergischen Autobahn A 1 wird dieses außerordentlich reizvolle Erholungsgebiet auch als Ausgangspunkt für weitere Wanderungen sicherlich noch mehr als bisher von auswärtigen Erholungssuchenden und Naturliebenden besucht. Das Wahrzeichen des Barmer Verschönerungsvereins, der von der Familie Toelle gestiftete Aussichtsturm ist von der A-1-Ausfahrt Wuppertal-Ronsdorf in wenigen Minuten erreichbar, von wo aus dann die schönsten Wanderwege um ganz Wuppertal mit seinen landschaftlichen Reizen und vielseitigen Anziehungspunkten jedem Geschmack gerecht werden. In diesem Sinne erfüllt auch die Barmer Jugendherberge an der Oberen Lichtenplatzer Straße, die ebenfalls auf vom Verschönerungsverein aus seinem Besitz gestifteten Grund und Boden errichtet wurde, in ganz besonders glücklicher Weise ihre schöne Funktion.
Zahlreiche gestiftete Ruhebänke und Schutzhütten laden zum Verweilen ein, die aber leider immer wieder unbedachten, wenn nicht gar zerstörungswütigen Elementen Gelegenheit geben, ihre Kraft daran auszulassen. Es bedarf der Mithilfe aller, diese der Allgemeinheit dienenden Anlagen und Waldungen auch vor Verunstaltung durch gedankenloses Fortwerfen von Papier und Abfall, und auch aus Unachtsamkeit verursachten Waldbränden, zu schützen. In diesem Sinne ergibt sich für die Schulen und ihre Lehrkräfte eine dankbare Aufgabe, zusammen mit den Eltern und den Älteren von uns in der Jugend die Ehrfurcht vor der Natur und ihrer Flora und Fauna zu wecken.
Bei aller Anerkennung der Bedeutung der Erhaltung und Pflege der großen Naturschutz-Reservate innerhalb des Bundesgebietes verdienen die stadtnahen Erholungsgebiete, die für die arbeitende Bevölkerung in einer eng zusammen gedrängten Großstadt so lebenswichtig und dringendste Voraussetzung für deren Gesundheit und Erholung sind, nicht vernachlässigt werden. Gerade mit nur kurzen Anmarschwegen mühelos und ohne Aufwendung besonderer Kosten auch während der Arbeitspausen und nach Feierabend bequem zu erreichende Grünanlagen helfen mit, den großstadtgehetzten Menschen die notwendige Entspannung für die Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit zu gewähren.
Nr. 1 unter den Verschönerungsvereinen
Dem Beispiel des Barmer Verschönerungsvereins folgend, haben sich auch in anderen Stadtteilen, insbesondere im Nordteil Barmens (Nordstädter Bürgerverein), in Elberfeld (1870 gegründeter, nicht mehr existenter Elberfelder Verschönerungsverein) und in Ronsdorf (Ronsdorfer Verschönerungsverein, gegründet 1869), freie Bürgervereine zum Schutz und zur Erhaltung von Park- und Waldanlagen gebildet, die die Bedeutung dieser Frage ebenfalls erkannt und sie mit beispielhafter Initiative und Opferfreudigkeit mit gutem Erfolg zu ihrer Sache gemacht haben.
All diesen Bestrebungen zur Erhaltung und Schaffung von grünen Lungen inmitten und in nächster Nähe der Großstädte sollte noch viel ernstere Beachtung und Aufmerksamkeit geschenkt werden. Kein mit noch so großen Mitteln gefördertes soziales Werk, gleichviel welcher Art, hat eine auch nur annähernd so weite Streuung seiner Wirkung wie gerade derartige weiträumige Erholungsgebiete, in denen die gesamte Bevölkerung aller Schichten und Altersklassen in der freien Natur und in frischer Luft Herz und Lunge stärken und sich an den Wundern der Schöpfung erfreuen kann.